Montag, 31. Oktober 2016

Die Sprache ist der Schlüssel


Nr. 8





Vorläufiger Belegungsplan: Casa de la buena vista



15.12.2016 – 10.1.2017

25.1.2017 – 15.2.2017



Mein Büro



Die Sprache ist der Schlüssel



Meine ersten Tage an der Universidad Austral de Chile:

Ananda (meine Projektpartnerin) holt mich um 8 Uhr ab und wir fahren zur Uni. Theo und ich haben ja noch kein eigenes Auto und zu dem Zeitpunkt auch noch keine Ahnung, wie schwierig sich der Autokauf gestalten wird. Francisco, einer von Anandas Masterstudenten verteidigt seine Arbeit. Als Beurteiler sind dabei: Ananda als Betreuerin, Gustavo Monti (Prof. für Epidemiologie) und per Videokonferenz Markus (Nachnamen habe ich vergessen), der Professor an einer Universität in Brasilien ist und einige Zuhörer. Alles sehr offiziell und alles auf spanisch und portugiesisch. Ich verstehe nichts. Offenbar läuft es gut, alle machen ein sehr zufriedenes Gesicht, es sieht nach Gratulation aus. Für die Mitarbeiter des Labors von Ananda gibt es zur Feier des Tages Pizza. Ich bin auch eingeladen, ich schüttele viele Hände und stelle fest: alle sind unglaublich nett und zuvorkommend, aber kaum jemand spricht Englisch.

Erschwerend zu meinen ganz geringen Spanischkenntnissen kommt, dass die Chilenen unglaublich schnell sprechen und die Hälfte der Wörter verschlucken. Mit dem was ich was ich früher für Spanisch gehalten habe, hat das für meine Ohren noch wenig zu tun. Es kommt mir alles ziemlich spanisch vor!



Am zweiten Tag findet eine lokale Konferenz statt, bei der viele untergraduierte und postgraduierte Studierende ihre Projekte vorstellen. Zumindest die Masterstudenten sind dazu angehalten, Ihre Vorträge auf englisch zu halten. Bis zur Mittagspause habe ich 15 Präsentationen hinter mir, alle auf Spanisch, zu schnell, zu leise: nix verstehen! Irgendwie bringt das nichts. Theo hilft! Er hat ganz schreckliche Kopfschmerzen, eine ausgewachsene Grippe (noch von Deutschland eingeschleppt), Schmerzmittel aus unserem eigenen Fundus helfen nicht, jetzt brauchen wir den Schmerzmittel-Hammer! Wir fahren in die Clinica Alemana. Bevor Diagnostik gemacht wird, gibst gleich ein Schmerzmittel mit Hammerwirkung. Die Kopfschmerzen werden besser. Wir warten ein paar Stunden (vor allem die Radiologen lassen sich sehr viel Zeit mit der Beurteilung) und ich lerne ganz viele Spanischvokabeln, weil wir die Untertitel von den Nachrichten, die dort auf mehreren Bildschirmen gezeigt werden, übersetzen. Rumtrödeln ist nicht drin, learning by waiting!



Die Klinik



Dr. Mieres ist der Chef von der Kleintierklinik und macht vor allem bildgebende Diagnostik. Auch er ist unglaublich nett, spricht aber leider kein Englisch. Aber er organisiert alles für mich und kümmert sich. Auch Lorena, die Vorstandsassistenz hier, ist ganz reizend und sorgt dafür, dass es mir an nichts fehlt. An meinem ersten offiziellen Tag in der Klinik gibt es ein tolles offizielles Willkommensfrühstück mit Torte, an dem alle Professoren der Kliniken (Klein- und Großtiere) teilnehmen. Ich bin sehr gerührt. Viele der anderen Professoren, unter anderem die beiden anderen aus der Kleintierklinik Dr. Thibaut und Dr. Ojeda sprechen zu meiner Erleichterung Englisch. Glück gehabt. 😊 Das hilft. Daneben arbeiten in der Klinik noch viele andere Tierärzte und Helfer. Darunter Danae, sozusagen als Assistenztierärztin, macht aber keine Lehre. Und dann gibt es noch drei Residents (heißen zwar Residents, die Residency dauert aber nur 1 Jahr und ist eher mit einem Internship bei uns vergleichbar), Interns (keine Ahnung, was deren Aufgabe hier in der Klinik ist), Nachtdiensttierärzte, Tierarzthelfer, Tierpfleger, Verwaltungsangestellte, …. Es wird wohl noch ein bisschen dauern bis ich das System so ganz verstanden habe.



Morgens um 8 Uhr finden „Rounds“ statt. Da stellen die Studierenden ihre Patienten vor, neue Patienten werden vom Nachtdienst übergeben, der Tag wird organisiert. Naja, ich verstehe halt auch hier nur Bruchstücke. Aber nichts desto trotz werde ich von Anfang an integriert und bei internistischen Patienten um meine Meinung gefragt. Ein einigermaßen fundiertes Statement (natürlich auf englisch) abzugeben, ist halt schwierig, wenn mir der Sachverhalt noch einigermaßen schleierhaft ist.

In der Klinik mit den Studierenden zu arbeiten, finde ich toll. Allerdings sprechen von den chilenischen Studenten die wenigsten Englisch. Wenn von einer Vorlesung nur Teile verstanden werden, ist das nicht ideal aber auch nicht so schlimm. Aber wie kann ich sicher sein, dass sie mich richtig verstehen und dass es nicht durch ein Problem in der Verständigung zu groben Fehlern kommt? Ich versuche es mit der Erstellung detaillierter schriftlicher Behandlungspläne. Eine große Hilfe in den ersten Wochen sind zwei Praktikantinnen aus Spanien. Marta und Julia (aus Zaragozza und Valencia) sprechen englisch und helfen in ganz vielen Situationen. Auch wenn es um praktische Dinge geht, z.B. das Legen einer Ösophagussonde. Julia übersetzt meine englischen Erklärungen für die chilenischen Studierenden. Vor allem die Studentin, die dabei mitmacht, sollte ja verstehen, was sie tun soll. Klappt gut, dauert halt lange. Aber wenn alles genauso wäre wir daheim, hätte ich ja gleich dableiben können.



Centro de Idiomas



Dr. Mieres und Lorena kümmern sich auch um die Organisation meines Sprachkurses beim Centro de Idiomas. Ich bin begeistert davon, dass dieser bald starten soll. Zuerst muss ich mich jedoch einem Einstufungstest unterziehen. Oje, die Chilenen lieben Tests und Protokolle. Mal sehen. Ich komme zum Centro de Idiomas, sitze allein in einem Zimmer (vermutlich damit ich nicht spicken kann!) und muss einen schriftlichen Test ablegen. Der ist ziemlich bescheuert, die häufigsten Verben im Präsens zu konjugieren schaffe ich gerade noch. Dann kommt eine junge Professora, wenn es hoch kommt vielleicht 20, und versucht, eine Unterhaltung mit mir zu führen. Sie spreche weder Englisch, noch Deutsch, noch Französisch, sondern ausschließlich Spanisch – es kann doch nicht sein, dass jemand eine Fremdsprache unterrichtet, der selber nie eine gelernt hat! Auch die Sekretärin spricht kein Wort Englisch (wir sind ja nur im Centro de Idiomas). Ordnung muss ein: Der Test müsse jetzt erst ausgewertet werden und dann könne entschieden werden, welcher Kurs für mich der beste sei. Nach drei Tagen endlich kommt das Ergebnis des Tests: Grammatik sehr gut, nicht so gut im Verstehen der gesprochenen Sprache und es hapert noch dabei, mich auf Spanisch auszudrücken. Was für eine Überraschung, wer hätte das gedacht! Ergebnis ist, dass ich einen Intensivkurs Spanisch erhalten werde: Drei Mal in der Woche von 9 Uhr bis 11 Uhr über 3 Wochen. Das wiederum finde ich großartig.  



Die Forschung



Und dann ist da ja auch noch das Forschungsprojekt. Wir haben es seit einem Jahr vorbereitet, Ananda war im Mai in München, ich war im Juni in Valdivia. Alle meine Projektpartner: Ananda, Gustavo, Miguel und Javier sprechen hervorragend Englisch. Nach der ersten Besprechung vor Ort kann es deswegen direkt losgehen mit dem Sammeln von Proben. Herzvorragend! Wie es wohl wäre, wenn wir uns nicht in einer Sprache verständigen könnten? Es wäre schlicht und ergreifend nicht möglich.



Die Quintessenz



Die Studierenden, die im 2-Wochen-Rhythmus durch die Klinik rotieren, werden wegen mir sicherlich nicht plötzlich alle Englisch lernen (aber vielleicht kann ich sie ja etwas motivieren) und auch nicht die anderen Mitarbeiter der Klinik nicht. Ich habe es in der Hand, die Situation zu ändern und lerne jetzt wie verrückt Spanisch. Ohne die Sprache werde ich keinen Zugang zu den Menschen bekommen. Ich freue mich über jede kleine Konversation, die klappt und über jede Situation, in der ich mich irgendwie auf Spanisch ausdrücken kann. Es hilft natürlich ohne Ende, dass ich mit Theo den besten Spanischlehrer, den es überhaupt gibt, an meiner Seite habe. Wird schon noch ein bisschen dauern, aber poco a poco. Zumindest können wir Franken das „r“ mindestens genauso gut rollen wie die Latinos!



Noch eine Quintessenz:



Internationalisierung bei Forschung und Lehre ist kein Selbstläufer. Es braucht den guten Willen und die Bereitschaft von beiden Seiten. Jemand von außen zu integrieren ist mühevoll, wie auch sich selbst den anderen Strukturen anzupassen. Meine Kollegen hier in Valdivia geben sich alle Mühe – ich versuche, es ihnen so leicht wie möglich zu machen in dem ich schnell Spanisch lerne!



 www.vinoval.de

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