Nr. 8
Vorläufiger Belegungsplan: Casa
de la buena vista
15.12.2016 – 10.1.2017
25.1.2017 – 15.2.2017
Mein Büro
Die Sprache ist der Schlüssel
Meine ersten Tage an der Universidad
Austral de Chile:
Ananda (meine Projektpartnerin) holt
mich um 8 Uhr ab und wir fahren zur Uni. Theo und ich haben ja noch kein
eigenes Auto und zu dem Zeitpunkt auch noch keine Ahnung, wie schwierig sich
der Autokauf gestalten wird. Francisco, einer von Anandas Masterstudenten
verteidigt seine Arbeit. Als Beurteiler sind dabei: Ananda als Betreuerin, Gustavo
Monti (Prof. für Epidemiologie) und per Videokonferenz Markus (Nachnamen habe
ich vergessen), der Professor an einer Universität in Brasilien ist und einige
Zuhörer. Alles sehr offiziell und alles auf spanisch und portugiesisch. Ich
verstehe nichts. Offenbar läuft es gut, alle machen ein sehr zufriedenes Gesicht,
es sieht nach Gratulation aus. Für die Mitarbeiter des Labors von Ananda gibt
es zur Feier des Tages Pizza. Ich bin auch eingeladen, ich schüttele viele
Hände und stelle fest: alle sind unglaublich nett und zuvorkommend, aber kaum
jemand spricht Englisch.
Erschwerend zu meinen ganz geringen Spanischkenntnissen
kommt, dass die Chilenen unglaublich schnell sprechen und die Hälfte der Wörter
verschlucken. Mit dem was ich was ich früher für Spanisch gehalten habe, hat
das für meine Ohren noch wenig zu tun. Es kommt mir alles ziemlich spanisch
vor!
Am zweiten Tag findet eine lokale
Konferenz statt, bei der viele untergraduierte und postgraduierte Studierende
ihre Projekte vorstellen. Zumindest die Masterstudenten sind dazu angehalten,
Ihre Vorträge auf englisch zu halten. Bis zur Mittagspause habe ich 15 Präsentationen
hinter mir, alle auf Spanisch, zu schnell, zu leise: nix verstehen! Irgendwie
bringt das nichts. Theo hilft! Er hat ganz schreckliche Kopfschmerzen, eine
ausgewachsene Grippe (noch von Deutschland eingeschleppt), Schmerzmittel aus
unserem eigenen Fundus helfen nicht, jetzt brauchen wir den Schmerzmittel-Hammer!
Wir fahren in die Clinica Alemana. Bevor Diagnostik gemacht wird, gibst gleich
ein Schmerzmittel mit Hammerwirkung. Die Kopfschmerzen werden besser. Wir
warten ein paar Stunden (vor allem die Radiologen lassen sich sehr viel Zeit
mit der Beurteilung) und ich lerne ganz viele Spanischvokabeln, weil wir die
Untertitel von den Nachrichten, die dort auf mehreren Bildschirmen gezeigt
werden, übersetzen. Rumtrödeln ist nicht drin, learning by waiting!
Die Klinik
Dr. Mieres ist der Chef von der
Kleintierklinik und macht vor allem bildgebende Diagnostik. Auch er ist
unglaublich nett, spricht aber leider kein Englisch. Aber er organisiert alles
für mich und kümmert sich. Auch Lorena, die Vorstandsassistenz hier, ist ganz
reizend und sorgt dafür, dass es mir an nichts fehlt. An meinem ersten
offiziellen Tag in der Klinik gibt es ein tolles offizielles
Willkommensfrühstück mit Torte, an dem alle Professoren der Kliniken (Klein-
und Großtiere) teilnehmen. Ich bin sehr gerührt. Viele der anderen Professoren,
unter anderem die beiden anderen aus der Kleintierklinik Dr. Thibaut und Dr.
Ojeda sprechen zu meiner Erleichterung Englisch. Glück gehabt. 😊 Das hilft. Daneben arbeiten in der Klinik noch viele
andere Tierärzte und Helfer. Darunter Danae, sozusagen als Assistenztierärztin,
macht aber keine Lehre. Und dann gibt es noch drei Residents (heißen zwar Residents,
die Residency dauert aber nur 1 Jahr
und ist eher mit einem Internship bei
uns vergleichbar), Interns (keine
Ahnung, was deren Aufgabe hier in der Klinik ist), Nachtdiensttierärzte, Tierarzthelfer,
Tierpfleger, Verwaltungsangestellte, …. Es wird wohl noch ein bisschen dauern
bis ich das System so ganz verstanden habe.
Morgens um 8 Uhr finden „Rounds“ statt. Da stellen die Studierenden ihre
Patienten vor, neue Patienten werden vom Nachtdienst übergeben, der Tag wird organisiert.
Naja, ich verstehe halt auch hier nur Bruchstücke. Aber nichts desto trotz
werde ich von Anfang an integriert und bei internistischen Patienten um meine
Meinung gefragt. Ein einigermaßen fundiertes Statement (natürlich auf englisch)
abzugeben, ist halt schwierig, wenn mir der Sachverhalt noch einigermaßen
schleierhaft ist.
In der Klinik mit den Studierenden zu arbeiten, finde ich toll. Allerdings
sprechen von den chilenischen Studenten die wenigsten Englisch. Wenn von einer Vorlesung nur Teile
verstanden werden, ist das nicht ideal aber auch nicht so schlimm. Aber wie
kann ich sicher sein, dass sie mich richtig verstehen und dass es nicht
durch ein Problem in der Verständigung zu groben Fehlern kommt? Ich versuche es
mit der Erstellung detaillierter schriftlicher Behandlungspläne. Eine große
Hilfe in den ersten Wochen sind zwei Praktikantinnen aus Spanien. Marta und
Julia (aus Zaragozza und Valencia) sprechen englisch und helfen in ganz vielen
Situationen. Auch wenn es um praktische Dinge geht, z.B. das Legen einer
Ösophagussonde. Julia übersetzt meine englischen Erklärungen für die
chilenischen Studierenden. Vor allem die Studentin, die dabei mitmacht, sollte
ja verstehen, was sie tun soll. Klappt gut,
dauert halt lange. Aber wenn alles genauso wäre wir daheim, hätte ich ja gleich
dableiben können.
Centro de Idiomas
Dr. Mieres und Lorena kümmern sich
auch um die Organisation meines Sprachkurses beim Centro de Idiomas. Ich bin begeistert davon, dass dieser bald starten
soll. Zuerst muss ich mich jedoch einem Einstufungstest unterziehen. Oje, die
Chilenen lieben Tests und Protokolle. Mal sehen. Ich komme zum Centro de Idiomas,
sitze allein in einem Zimmer (vermutlich damit ich nicht spicken kann!) und
muss einen schriftlichen Test ablegen. Der ist
ziemlich bescheuert, die häufigsten Verben im Präsens zu konjugieren schaffe ich gerade noch.
Dann kommt eine junge Professora, wenn es hoch kommt vielleicht 20, und
versucht, eine Unterhaltung mit mir zu führen. Sie spreche weder Englisch, noch
Deutsch, noch Französisch, sondern ausschließlich Spanisch – es kann doch nicht
sein, dass jemand eine Fremdsprache unterrichtet, der selber nie eine gelernt
hat! Auch die Sekretärin spricht kein Wort Englisch (wir sind ja nur im Centro
de Idiomas). Ordnung muss ein: Der Test müsse jetzt erst ausgewertet werden und
dann könne entschieden werden, welcher Kurs für mich der beste sei. Nach drei
Tagen endlich kommt das Ergebnis des Tests: Grammatik sehr gut, nicht so gut im
Verstehen der gesprochenen Sprache und es hapert noch dabei, mich auf Spanisch
auszudrücken. Was für eine Überraschung, wer hätte das gedacht! Ergebnis ist,
dass ich einen Intensivkurs Spanisch erhalten werde: Drei Mal in der Woche von
9 Uhr bis 11 Uhr über 3 Wochen. Das wiederum finde ich großartig.
Die Forschung
Und dann ist da ja auch noch das Forschungsprojekt. Wir haben es seit einem
Jahr vorbereitet, Ananda war im Mai in München, ich war im Juni in Valdivia. Alle
meine Projektpartner: Ananda, Gustavo, Miguel und Javier sprechen hervorragend
Englisch. Nach der ersten Besprechung vor Ort kann es deswegen direkt losgehen
mit dem Sammeln von Proben. Herzvorragend! Wie es wohl wäre, wenn wir uns nicht
in einer Sprache verständigen könnten? Es wäre schlicht und ergreifend nicht
möglich.
Die Quintessenz
Die Studierenden, die im
2-Wochen-Rhythmus durch die Klinik rotieren, werden wegen mir sicherlich nicht
plötzlich alle Englisch lernen (aber vielleicht kann ich sie ja etwas
motivieren) und auch nicht die anderen Mitarbeiter der Klinik nicht. Ich habe
es in der Hand, die Situation zu ändern und lerne jetzt wie verrückt Spanisch.
Ohne die Sprache werde ich keinen Zugang zu den Menschen bekommen. Ich freue
mich über jede kleine Konversation, die klappt und über jede Situation, in der
ich mich irgendwie auf Spanisch ausdrücken kann. Es hilft natürlich ohne Ende,
dass ich mit Theo den besten Spanischlehrer, den es überhaupt gibt, an meiner
Seite habe. Wird schon noch ein bisschen dauern, aber poco a poco. Zumindest können
wir Franken das „r“ mindestens genauso gut rollen wie die Latinos!
Noch
eine Quintessenz:
Internationalisierung
bei Forschung und Lehre ist kein Selbstläufer. Es braucht den guten Willen und
die Bereitschaft von beiden Seiten. Jemand von außen zu integrieren ist
mühevoll, wie auch sich selbst den anderen Strukturen anzupassen. Meine
Kollegen hier in Valdivia geben sich alle Mühe – ich versuche, es ihnen so leicht
wie möglich zu machen in dem ich schnell Spanisch lerne!
www.vinoval.de
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