Architektouren
Nr. 9
Vorläufiger Belegungsplan: Casa de la buena vista
15.12.2016 – 10.1.2017
25.1.2017 – 15.2.2017
Isla de Chiloe I
Die Reiseführer beschreiben
die Insel wie das kleine gallische Dorf Chiles. Na ja, klein nicht wirklich,
Chiloe ist die fünft größte Insel des Kontinents. Auf jeden Fall haben dort die
Huilliche-Ureinwohner den europäischen Eroberern heftigen
Widerstand geleistet. Bis heute betonen die Chilotes
ihre deutliche Abgrenzung zu Santiago. Und sie haben mächtige Verbündete: die Traucos (Trolle) entführen am liebsten
Jungfrauen (wahrscheinlich die vom Festland), „Voladoras“, fliegende Hexen, treiben ihr Unwesen und ab und an
kreuzt ein Geisterschiff („Caleuche“)
auf, unter weißen Segeln und fetziger Musik, das sich bei näherem Hinsehen dann
doch in Felsen oder Baumstämme verwandelt. Weiß man’s?
Die Chilotes haben auch ihren eigenen
Baustil entwickelt, die traditionellen Häuser sind mit den typischen Holzschindeln
verziert, die für die Insel stilprägend sind.
Eindrucksvoll
sind vor allem die Holzkirchen, die ab dem 17. Jahrhundert von den Jesuiten
errichtet worden sind, man musste den Ureinwohnern ja schließlich den Glauben
und Mores lehren. 16 von diesen Kirchen stehen inzwischen auf der UNESCO-Welterbe
Liste.
Kirche von Curaco
Die Kirchen
sind meist aus Zypressenholz gefertigt, viele von ihnen wurden ohne einen
einzigen Nagel errichtet. Außen sind die meisten mit bunten Schindel verziert
und innen aufwendig ausgemalt. Vergleichbares gibt es vielleicht nur in
Finnland oder Polen.
Kirche von Castro
Es sind
großartige Zeugnisse von manifester Kultur, die ich in Valdivia etwas vermisse.
An die Hauptkirche von Valdivia darf ich gar nicht erst denken, wenn ich in der
Nähe bin schaue ich liebe weg (na ja, für die Orientierung ist sie ganz gut).
Kirche von Achao
Das ist die
eine Seite von Chiloe. Sicher, in den kleinen Orten (Käffern) findet man viele
Bespiele der traditionellen Bauweise mit der typischen Schindelverkleidung, aber
irgendwie ist vieles verwahrlost, ungepflegt, in die Jahre gekommen, auch
verlottert. Nein, es nicht so, dass alles immer herausgeputzt sein muss, bis
zur Sterilität saniert. Doch man sollte eine liebevolle Beziehung zwischen dem
Haus und seinen Bewohnern erkennen können. Kann man aber nicht. Auch in den schönen
Dörfern Italiens bröckelt der Putz und die Geranien wachsen in rostigen
Milchpulverdosen. Aber irgendwie ist das Gesamtbild stimmig, hier nicht.
Vielleicht fehlt hier die Erfahrung der Ästhetik. Mangelnder Wohlstand, der
immer noch andauernde Kampf zwischen Tradition und Moderne (Schindel gegen
Beton), Erziehung, Bildung? Schiller hat eine Abhandlung „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“
geschrieben, schwer zu verstehen, aber hier wäre das sicherlich angebracht.
(Allerdings: wenn man durch Franken, vor allem Bier-Franken fährt, dann ist es
mit der Ästhetik auch nicht weit her!)
Und trotz
allem, hinter der schlimmsten Fassade findet man ein Café mit großartigem Cappuccino,
leckerem Kuchen. Doch die architektonische, ästhetische Sensation war das
kleine Refugio Pullao, in dem wir gelandet sind.
Ein kleines
Hotel, das über der Bahia von Castro inmitten eines Vogelreservates liegt,
leicht oberhalb des Meeres. Hier kann man auf ganz kontemplative Weise der Ebbe
und der Flut zuschauen und nachts unter einem großartigen Sternenhimmel ein
heißes Bad nehmen. Auf dem Weg dorthin haben wir fast unseren kleinen
Bonsai-Mietwagen zu Schrott gefahren – doch das hätte sich zumindest gelohnt. Hier
hat der Besitzer ein Ambiente geschaffen, das die wunderbare Natur, Baukunst
und Geschmack zu einer wunderbaren Symbiose vereint. Bei aller Reduziertheit
ein Moment großer Gefühle.
Refujio Pullao
Das ist die
Spannbreit von Chiloe. Großartige Architektur zwischen Vergangenheit und
Moderne – und dazwischen die Hilflosigkeit, den eigenen Stil zu finden.
In Achao waren
wir auf einer „feria de costumbristas“,
bei uns würde man Kirchweih sagen, oder vielleicht Straßenfest. Musikpavillon,
jede Menge Essensstände, bei denen fast überall das gleiche gibt. Vor allem „Curanto“.
Das
traditionelle Curanto ist ein
Kochevent, eine Zeremonie. Stundenlang. Hier wird das Gericht in Plastiknetzen
serviert, in denen allen drin ist, dem man habhaft werden konnte: Fleisch,
Fisch und Meeresfrüchte und Kartoffeln.
Wir haben dann
eine Fischsuppe gegessen, oberlecker, und eine „Empanada de Mariscos“.
Sancocho de mariscos
Aber das mit
dem Essen ist eine andere Geschichte.
www.vinoval.de
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