Freitag, 4. November 2016

Architektouren


Architektouren

Nr. 9

Vorläufiger Belegungsplan: Casa de la buena vista

15.12.2016 – 10.1.2017

25.1.2017 – 15.2.2017

Isla de Chiloe I

Die Reiseführer beschreiben die Insel wie das kleine gallische Dorf Chiles. Na ja, klein nicht wirklich, Chiloe ist die fünft größte Insel des Kontinents. Auf jeden Fall haben dort die Huilliche-Ureinwohner den europäischen Eroberern heftigen Widerstand geleistet. Bis heute betonen die Chilotes ihre deutliche Abgrenzung zu Santiago. Und sie haben mächtige Verbündete: die Traucos (Trolle) entführen am liebsten Jungfrauen (wahrscheinlich die vom Festland), „Voladoras“, fliegende Hexen, treiben ihr Unwesen und ab und an kreuzt ein Geisterschiff („Caleuche“) auf, unter weißen Segeln und fetziger Musik, das sich bei näherem Hinsehen dann doch in Felsen oder Baumstämme verwandelt. Weiß man’s?
Die Chilotes haben auch ihren eigenen Baustil entwickelt, die traditionellen Häuser sind mit den typischen Holzschindeln verziert, die für die Insel stilprägend sind.
Eindrucksvoll sind vor allem die Holzkirchen, die ab dem 17. Jahrhundert von den Jesuiten errichtet worden sind, man musste den Ureinwohnern ja schließlich den Glauben und Mores lehren. 16 von diesen Kirchen stehen inzwischen auf der UNESCO-Welterbe Liste.


Kirche von Curaco

Die Kirchen sind meist aus Zypressenholz gefertigt, viele von ihnen wurden ohne einen einzigen Nagel errichtet. Außen sind die meisten mit bunten Schindel verziert und innen aufwendig ausgemalt. Vergleichbares gibt es vielleicht nur in Finnland oder Polen.











Kirche von Castro


Es sind großartige Zeugnisse von manifester Kultur, die ich in Valdivia etwas vermisse. An die Hauptkirche von Valdivia darf ich gar nicht erst denken, wenn ich in der Nähe bin schaue ich liebe weg (na ja, für die Orientierung ist sie ganz gut).

 Kirche von Achao

Das ist die eine Seite von Chiloe. Sicher, in den kleinen Orten (Käffern) findet man viele Bespiele der traditionellen Bauweise mit der typischen Schindelverkleidung, aber irgendwie ist vieles verwahrlost, ungepflegt, in die Jahre gekommen, auch verlottert. Nein, es nicht so, dass alles immer herausgeputzt sein muss, bis zur Sterilität saniert. Doch man sollte eine liebevolle Beziehung zwischen dem Haus und seinen Bewohnern erkennen können. Kann man aber nicht. Auch in den schönen Dörfern Italiens bröckelt der Putz und die Geranien wachsen in rostigen Milchpulverdosen. Aber irgendwie ist das Gesamtbild stimmig, hier nicht. Vielleicht fehlt hier die Erfahrung der Ästhetik. Mangelnder Wohlstand, der immer noch andauernde Kampf zwischen Tradition und Moderne (Schindel gegen Beton), Erziehung, Bildung? Schiller hat eine Abhandlung „Über die ästhetische Erziehung des Menschen geschrieben, schwer zu verstehen, aber hier wäre das sicherlich angebracht. (Allerdings: wenn man durch Franken, vor allem Bier-Franken fährt, dann ist es mit der Ästhetik auch nicht weit her!)

Und trotz allem, hinter der schlimmsten Fassade findet man ein Café mit großartigem Cappuccino, leckerem Kuchen. Doch die architektonische, ästhetische Sensation war das kleine Refugio Pullao, in dem wir gelandet sind.
Ein kleines Hotel, das über der Bahia von Castro inmitten eines Vogelreservates liegt, leicht oberhalb des Meeres. Hier kann man auf ganz kontemplative Weise der Ebbe und der Flut zuschauen und nachts unter einem großartigen Sternenhimmel ein heißes Bad nehmen. Auf dem Weg dorthin haben wir fast unseren kleinen Bonsai-Mietwagen zu Schrott gefahren – doch das hätte sich zumindest gelohnt. Hier hat der Besitzer ein Ambiente geschaffen, das die wunderbare Natur, Baukunst und Geschmack zu einer wunderbaren Symbiose vereint. Bei aller Reduziertheit ein Moment großer Gefühle.

Refujio Pullao

Das ist die Spannbreit von Chiloe. Großartige Architektur zwischen Vergangenheit und Moderne – und dazwischen die Hilflosigkeit, den eigenen Stil zu finden.

In Achao waren wir auf einer „feria de costumbristas“, bei uns würde man Kirchweih sagen, oder vielleicht Straßenfest. Musikpavillon, jede Menge Essensstände, bei denen fast überall das gleiche gibt. Vor allem „Curanto“.
Das traditionelle Curanto ist ein Kochevent, eine Zeremonie. Stundenlang. Hier wird das Gericht in Plastiknetzen serviert, in denen allen drin ist, dem man habhaft werden konnte: Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte und Kartoffeln.
Wir haben dann eine Fischsuppe gegessen, oberlecker, und eine „Empanada de Mariscos“.

Sancocho de mariscos


Aber das mit dem Essen ist eine andere Geschichte.

www.vinoval.de

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