Montag, 24. April 2017

Cobquecura


25 Cobquecura

Wir haben Valdivia hinter uns gelassen. Die Zelte abgebrochen. Na ja, die Wohnung verlassen, den Schlüssel zurückgegeben und die letzten Rechnungen bezahlt, uns von den Freunden und Kollegen verabschiedet, das Auto gepackt und aufgetankt, Valdivia den Rücken gekehrt. Das wars. Wars das?
Vor uns liegt eine neue Etappe. Nix Job, keine Forschung, keine Termine, sich treiben lassen von Ort zu Ort.
Aber doch immer auf der Suche nach etwas Besonderem, nicht dem großen WOW-Gefühl, eher den kleinen großen Dingen. Momente, die man festhalten will, die Flüchtigkeit verstetigen – wenn auch nur für einen kurzen Moment. Und immer auf der Suche nach etwas „Lateinamerikanität“, dem Spezifischen, dem, was das Land, der Kontinent von anderen unterscheidet.
Küste von Cobquecura
Trotz Internet und Reiseführer war es schwierig was einigermaßen Nettes zwischen Valdivia und Santiago zu finden. Schließlich haben wir B&B Loberia in Cobquecura gebucht. Schau mer mal. Marketing und Realität liegen oft weit auseinander!
Nach sieben Stunden Fahrt kamen wir an. Cobquecura war irgendwie anders. In der Anlage kolonial, spanisch, einstöckig Gebäude, quadratische Stadtanlage. (Stadt ist hier vielleicht etwas übertrieben, bei ca. 12 Straßen insgesamt.)
Der Innenhof ...
... in seiner ganzen Pracht
  


Unsere Unterkunft war dann auch in einem der schöneren kolonialen Gebäude, außen die streng gegliederte Fassade, der Innenhof ein großzügiger Patio mit vierseitigem Umgang, in der Mitte ein schmiedeeiserner Pavillon.
Doch das schönste war die wilde Pflanzenpracht: Kamelien, Palmen, Fleißige Lieschen, Chilenischer Feuerstrauch, Magnolien, Senfrauken, Farne, Hortensien, Bananenstauden Zitronen- und Orangenbäumchen, Rosen, Lavendel Rosmarin und vieles mehr. Das Paradies für die Kolibris, die mit ihrem glockenhellen Zirpen uns an unsere Freunde in Valdivia erinnerten: Tick, Trick und Track.
Cobquecura - Zentrum
Nein, man darf sich das alles nicht wie eine Nobelherberge vorstellen. Alles etwas in die Jahre gekommen, improvisiert, zusammengeschustert, vieles klemmt, manches funktioniert nicht richtig. Aber mit einem großen Charme. Und das schönste war: wir hatten das alles fast für uns alleine. Aber das ist es genau was ich schätze, die schöne kleine Individualität, nicht der seelenlose Protz der 5-Sterne-Schuppen. Vor allem war da noch Marlene, der gute Geist des Hauses, die mit ihrer großen Freundlichkeit diese großartige Atmosphäre geschaffen hat.

Cobquecura, was soll ich sagen, hat es auch nicht leicht.
Es wurde stark gebeutelt vom Erdbeben 2010. am 27. Februar um 3:34 Uhr Ortszeit hat es diesen Ort heimgesucht, mit nachfolgendem Tsunami. Es war das sechststärkste Beben, das weltweit seit Beginn der seismischen Aufzeichnungen im Jahr 1900 je gemessen wurde. Epizentrum Cobquecura.
Vor und ...
... nach dem Beben
Ein Wirt, der an der Hauptstraße ein kleines Restaurant betreibt (und einen fantastischen Pisco Sour macht), hat im Gastraum in einfachen Plastikhüllen zwei Bilder aufgehängt: vor und nach dem Erdbeben.

Irgendwie hat man den Eindruck das kleine Kaff will schöner werden, eine reizvolle Geliebte für die Touristen werden, es versucht sich raus zu putzen. Die Gehsteige werden gerichtet, das koloniale Erbe, falls möglich, soll gerettet werden. Teilweise gute Ansätze, das kann was werden. Was nix ist – und ich befürchte, das wird in absehbarer Zeit auch nix – ist das gastronomische Angebot. Zum Verzweifeln. Richtig sch...lecht. Aber darauf will ich mich jetzt nicht einlassen.
... und am Strand gab es ein paar Buden mit Ceviche
Ganz großartig ist der endlose, weite Strand, der sich vor der ganzen Küste gegen die anbrandenden Wellen stellt. Und direkt vor Cobquecura zwei Felsen, die Loberia, die das zuhause von einer Kolonie von ca. 2700 Seelöwen sind, die gerade als wir da waren, ihre Kinder in die Schwimmschule schickten. Was für ein Anblick, hunderte tobende, spielende und raufende Seelöwenkinder, die vom Leben gar nicht genug bekommen konnten.
Seelöwenfelsen

Kampf gegen Lachszucht








Gegen eine andere, reale Bedrohung kämpfen die Menschen in Cobquecura im Moment: die einflussreichen Fischbarone (die gesamten Fischrechte an der langen chilenischen Küste sind wohl auf fünf Familien aufgeteilt) wollen auch an diesem Teil der Küste weitere 79 Lachsfarmen errichten, trotz all der schlechten Erfahrungen und katastrophalen Auswirkungen für die Umwelt – siehe Chiloe. Das, was sich die Leute hier aufgebaut haben, kann kaputtgehen. Tote Fische am Strand, schlechtes Image, Algenpest, welche Touristen wollen da noch kommen?
Las Nalkas

Immer wieder mal gibt es auch touristische Highlights. 
Ein paar km von Cobquecura gibt es eine kleine Hotelanlage, die hauptsächlich aus Baumhäusern besteht. Ganz großartig, muss man schon sagen.


Wir ziehen weiter nach Norden: in die Weinregion 
und nach Valparaíso.

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