25 Cobquecura
Wir haben Valdivia hinter uns gelassen. Die Zelte
abgebrochen. Na ja, die Wohnung verlassen, den Schlüssel zurückgegeben und die
letzten Rechnungen bezahlt, uns von den Freunden und Kollegen verabschiedet,
das Auto gepackt und aufgetankt, Valdivia den Rücken gekehrt. Das wars. Wars
das?
Vor uns liegt eine neue Etappe. Nix Job, keine Forschung,
keine Termine, sich treiben lassen von Ort zu Ort.
Aber doch immer auf der Suche nach etwas Besonderem, nicht
dem großen WOW-Gefühl, eher den kleinen großen Dingen. Momente, die man
festhalten will, die Flüchtigkeit verstetigen – wenn auch nur für einen kurzen
Moment. Und immer auf der Suche nach etwas „Lateinamerikanität“, dem
Spezifischen, dem, was das Land, der Kontinent von anderen unterscheidet.
Küste von Cobquecura |
Trotz Internet und Reiseführer war es schwierig was
einigermaßen Nettes zwischen Valdivia und Santiago zu finden. Schließlich haben
wir B&B Loberia in Cobquecura
gebucht. Schau mer mal. Marketing und Realität liegen oft weit auseinander!
Nach sieben Stunden Fahrt kamen wir an. Cobquecura war
irgendwie anders. In der Anlage kolonial, spanisch, einstöckig Gebäude,
quadratische Stadtanlage. (Stadt ist hier vielleicht etwas übertrieben, bei ca.
12 Straßen insgesamt.)
Der Innenhof ... |
... in seiner ganzen Pracht |
Unsere Unterkunft war dann auch in einem der schöneren
kolonialen Gebäude, außen die streng gegliederte Fassade, der Innenhof ein
großzügiger Patio mit vierseitigem Umgang, in der Mitte ein schmiedeeiserner
Pavillon.
Doch das schönste war die wilde Pflanzenpracht: Kamelien, Palmen,
Fleißige Lieschen, Chilenischer Feuerstrauch, Magnolien, Senfrauken, Farne,
Hortensien, Bananenstauden Zitronen- und Orangenbäumchen, Rosen, Lavendel
Rosmarin und vieles mehr. Das Paradies für die Kolibris, die mit ihrem
glockenhellen Zirpen uns an unsere Freunde in Valdivia erinnerten: Tick, Trick
und Track.
Cobquecura - Zentrum |
Nein, man darf sich das alles nicht wie eine Nobelherberge
vorstellen. Alles etwas in die Jahre gekommen, improvisiert,
zusammengeschustert, vieles klemmt, manches funktioniert nicht richtig. Aber mit
einem großen Charme. Und das schönste war: wir hatten das alles fast für uns
alleine. Aber das ist es genau was ich schätze, die schöne kleine
Individualität, nicht der seelenlose Protz der 5-Sterne-Schuppen. Vor allem war
da noch Marlene, der gute Geist des Hauses, die mit ihrer großen Freundlichkeit
diese großartige Atmosphäre geschaffen hat.
Cobquecura, was soll ich sagen, hat es auch nicht leicht.
Es wurde stark gebeutelt vom Erdbeben 2010. am 27. Februar um 3:34 Uhr Ortszeit hat es diesen
Ort heimgesucht, mit nachfolgendem Tsunami. Es war das sechststärkste Beben, das weltweit seit Beginn der seismischen
Aufzeichnungen im Jahr 1900 je gemessen wurde. Epizentrum Cobquecura.
Vor und ... |
... nach dem Beben |
Ein Wirt, der
an der Hauptstraße ein kleines Restaurant betreibt (und einen fantastischen Pisco Sour macht), hat im Gastraum in
einfachen Plastikhüllen zwei Bilder aufgehängt: vor und nach dem Erdbeben.
Irgendwie hat man den Eindruck das kleine Kaff will schöner
werden, eine reizvolle Geliebte für die Touristen werden, es versucht sich raus
zu putzen. Die Gehsteige werden gerichtet, das koloniale Erbe, falls möglich,
soll gerettet werden. Teilweise gute Ansätze, das kann was werden. Was nix ist
– und ich befürchte, das wird in absehbarer Zeit auch nix – ist das
gastronomische Angebot. Zum Verzweifeln. Richtig sch...lecht. Aber darauf will
ich mich jetzt nicht einlassen.
... und am Strand gab es ein paar Buden mit Ceviche |
Ganz großartig ist der endlose, weite Strand, der sich vor
der ganzen Küste gegen die anbrandenden Wellen stellt. Und direkt vor
Cobquecura zwei Felsen, die Loberia,
die das zuhause von einer Kolonie von ca. 2700 Seelöwen sind, die gerade als
wir da waren, ihre Kinder in die Schwimmschule schickten. Was für ein Anblick,
hunderte tobende, spielende und raufende Seelöwenkinder, die vom Leben gar
nicht genug bekommen konnten.
Seelöwenfelsen |
Kampf gegen Lachszucht |
Gegen eine andere, reale Bedrohung kämpfen die Menschen in
Cobquecura im Moment: die einflussreichen Fischbarone (die gesamten Fischrechte
an der langen chilenischen Küste sind wohl auf fünf Familien aufgeteilt) wollen
auch an diesem Teil der Küste weitere 79 Lachsfarmen errichten, trotz all der
schlechten Erfahrungen und katastrophalen Auswirkungen für die Umwelt – siehe
Chiloe. Das, was sich die Leute hier aufgebaut haben, kann kaputtgehen. Tote
Fische am Strand, schlechtes Image, Algenpest, welche Touristen wollen da noch
kommen?
Las Nalkas |
Immer wieder mal gibt es auch touristische Highlights.
Ein
paar km von Cobquecura gibt es eine kleine Hotelanlage, die hauptsächlich aus
Baumhäusern besteht. Ganz großartig, muss man schon sagen.
Wir ziehen weiter nach Norden: in die Weinregion
und nach Valparaíso.
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