Montag, 15. Mai 2017

Valle del Elqui – Ruta de las Estrellas

29 Valle del Elqui – Ruta de las Estrellas

Valle del Elqui - Tal der Farbe
Millionen Sterne, ach, was sage ich, unzählige Milliarden. Allein unsere Galaxie, die Milchstraße besteht aus ca. 300 Milliarden Sternen. Wir waren nachts um 12 auf dem Observatorium Mamalluca oberhalb des kleinen Städtchens Vicuñia. Hier und vor allem oben in Atacama in Paranal stehen die wichtigsten Sternwarten der Welt. Auch die ESO (European Southern Observatory) mit Sitz in Garching betreibt hier große Forschungsanlagen. Für den modernen astronomischen Wissenschaftsbetrieb ist Mamalluca mit seinen kleinen Teleskopen inzwischen veraltet und kann so für den Tourismus genutzt werden. Die Teleskope von Tololo in der gleichen Gegend sind hingegen noch in Betrieb.
Der Mond über dem Tal

Es war eine sternenklare Nacht, der Mond war gerade mal eine hauchdünne Sichel und das Umgebungslicht von der Kleinstadt Vicuñia war weit weg. Über uns strahlte das Firmament. Mitten durch den diamant-funkelnden Sternenhimmel zieht sich die Milchstraße, in der sich beim Betrachten die Gedanken verlieren. Man hat alles vor Augen, der Himmel so nah, und dennoch alles so weit weg. Und wir mitten drin, unsere kleine Erde als Teil dieser Galaxie. Wouw! Der Hammer, der absolute Hammer. Und steht da draußen vielleicht auch jemand, so wie ich, und guckt zu uns herüber? 



Auf seiner kleinen Sternwarte, kurz hinter Alpha Centauri, wo der kleine Prinz gerade seinen Planeten fegt, rüber zur Erde guckt und sich überlegt, wen er da vielleicht treffen würde. Vielleicht den Kapitalisten, der gerade den letzten Baum auf der Erde verkauft, weil es den ultimativen Profit bringt? Vielleicht einen Deutsch-Türken, der für den großen Erdogan als neuen Sultan gestimmt hat? Oder vielleicht den tollen Ami-Präsidenten, der die alternativen Fakten erfunden hat? Ach denkt sich der kleine Prinz, vielleicht fege ich meinen eigenen kleinen Planeten noch etwas und besuche die schöne blaue Erde später, erst einmal das Kreuz des Südens. 

Das Kreuz des Südens hat uns auf unserer ganzen Reise begleitet, uns Orientierung gegeben, zumindest wussten wir dann meist genau, wo Süden war. Für die Ureinwohner dieser Region wurde das silberweiße Band am Nachthimmel nicht mit Milch in Verbindung gebracht, sondern für sie war es der Himmelsfluss, an den sich die Tiere des Universums laben konnten.
So ein schwindelerregender, erhabener, transzendenter Anblick ist weiten Teilen Europas fast nicht mehr möglich. Luft- und Lichtverschmutzung und völlig andere klimatische Verhältnisse machen die Menschen in unseren Breiten für die Großartigkeit des Universums blind. Und dass in früheren Zeiten dieser Nachthimmel unseren Vorfahren Ehrfurcht einflößte kann bei diesem Anblick hier im Valle del Elqui gut verstehen.
Die Landschaft um das Valle del Elqui gehört fast schon zur Atacama, auch eine trockene Landschaft, in der sich gerade mal ein paar staubige Kakteen halten können. Während in München im Schnitt pro Jahr 930 Liter pro qm Regen fallen (in Bamberg fast ein Drittel weniger), sind es in Pisco Elqui gerade mal 76 Liter und in manchen Jahren fällt überhaupt kein Regen. Und doch, zwischen den steilen Felswänden und Berghängen, einer fast vertikalen Wüste, schlängelt sich ein fruchtbares Tal. Alle Farben Grün.
Fundo Los Nichos
Die eher hellen Blätter der Johannisbrotbäume, filigrane Akazien, dunkelgrün duftender Rosmarin, schlanke, hoch aufragende Pappeln und natürlich die unvermeidlichen Eukalyptusbäume, deren Blätter in ihrer Jugend eine fast blaue Farbe haben. Hin und wieder sieht man dunkelgrüne Felder auf denen Palta (Avocado) angebaut werden und kleine Plantagen mit Citrusfrüchten. Aber der allergrößte Teil des Tales ist bedeckt mit Weingärten. Das Grün der Rebstöcke von Cabernet Sauvignon, des Carmenere, Chardonnay, und vor allem des Muscadets, aus der der Pisco (chileno) produziert wird.  Dass sich Peru und Chile seit Menschengedenken darüber streiten wer denn nun den Pisco erfunden hat – das ist eine andere Geschichte. 
 

Aber was heißt schon Gärten, Plantagen soweit das Auge reicht. Aus dem geringsten Teil der Ernte wird tatsächlich Wein gemacht. Etwa die Hälfte der Trauben gehen als Tafeltrauben in den Export, hauptsächlich in die USA. Hier wurde offensichtlich Chemie im Übermaß eingesetzt, was zu einer jahrelangen Diskussion im Tal führte. Krankheiten von Kindern und Jugendlichen wurden dafür verantwortlich gemacht. Die andere Hälfte wird zu Pisco verarbeitet (aus der Muscat-Traube wird Wein gemacht und dieser dann zu Pisco gebrannt) – und meist als Pisco Sour genossen, dem chilenischen Nationalgetränk (schmeckt mir sehr!). Aber wie kann das Tal so fruchtbar sein, inmitten dieser trockenen, ariden Landschaft, in der sich mit Müh und Not vielleicht ein paar Kakteen halten können? Die Antwort ist: die mächtigen Berge, die das Tal begrenzen, bergen in ihrem Inneren 52 unterirdische Stein-und-Eis-Gletscher, die das Tal mit ihrem Schmelzwasser zum Blühen bringt. Und darüber: alle Farben Rot und Braun und der Himmel so Blau. Es ist das Blau, das sich vom Horizont – vom blassen Blauton hinauf zum Himmel in der Intensität ekstatisch steigert, sich in der größten Reinheit seiner Farbe zeigt. 


Die Gelb-, Ocker- und Brauntöne der Berge vermählen sich mit der untergehenden Sonne zu Citrus- und Orangengelb, Rosa in allen Schattierungen, Rot und etwas Purpur bevor der Tag stirbt und den Sternen der anderen Welten das Feld überlässt: der Blick in die Transzendenz, die Unendlichkeit des Universums.

Gut. Zurück auf die Erde. Der allergrößte Teil der Weinberge gehören offensichtlich zwei reichen Familien. Auch die Pisco-Produktion ist inzwischen so kapitalisiert wie in München die Bierproduktion (Interbrew und Brau und Brunnen). So wird auch der Pisco-Markt von zwei Marken beherrscht: Mistral und Capel. Aber hier oben im Tal gibt es sie noch, die die sich nicht unterkriegen lassen wollen und die ihren Pisco und den Wein so produzieren wie es ihnen handwerklich richtig erscheint, hier sagt man artesanal

Pisco artesanal

Da ist die kleine Pisco-Destille, die so produziert wie vor 100 Jahren. Der Fundo LOS NICHOS. Das machen die seit 1868, mindestens. Und so wie sie heute noch produzieren, so sind sie auch. Los NICHOS (die Gruften, Gebeinhäuser für die Knochen der Verstorbenen), da werden die guten Piscos gelagert – und natürlich degustiert). MEMENTO MORI. Die Produktion Pisco Los Nichos pro Jahr entspricht etwa der Tagesproduktion der großen Destillen.


Cavas del Valle


Und nun zum Wein. 

Wenn man das Tal hinauffährt, kurz vor Monte Grande, stößt man auf die Cavas del Valle. Ein kleines Weingut hat sich ganz der Tradition verschrieben und produziert moderne Weine der Extraklasse. Vor allen ein Weißwein hat es uns angetan.
Eine Muscadet-Traube (eigentlich zu süß für einen guten Wein), frühreif geerntet und trocken ausgebaut. Ganz großartig! 




Monte Grande G. Mistral
Apropos Monte Grande, ein kleines Dörfchen in der Mitte des herrlichen Tales. Hier ist Gabriela Mistral geboren. Sie ist eine der beiden, neben Pablo Neruda, chilenischen Nobelpreisträger für Literatur.
Den Preis hat sie 1945 bekommen – als Europa in Schutt und Asche lag.






Wenn man dann hinauf bis ans Ende des Tales fährt, da wo die Straße aufhört, kommt man nach Alcouhuaz. Und selbst in dieser Höhe, so um die 1800 m Höhe wachsen die besten Trauben.
Weingut Alcohuaz
Es ist das höchste Weingut Chiles (in Argentinien gibt es ein Weingut auf 3000 m Höhe! – Hammer!) Die Trauben in Valle del Elqui sind einem ganz besonderen Stress ausgesetzt, tagsüber brennt die heiße Sonne vom wolkenlosen Himmel und nachts bringen die Fallwinde der Hochanden die notwendige Kälte, damit der Rotwein seine besten Aromen entwickeln kann. Hier oben begannen die Leute von Viñedos de Alcouhuaz mit der Weinproduktion. Eigentlich wollten ein paar Kleinbauern oben im Tal und eine reiche Familie aus Santiago nur das Tal vor den Mineros retten, die hier große Mengen an Bodenschätzen vermuten. Sie haben sich alle zusammengetan und ihr Land zu einem Santuario de la Naturaleza erklären lassen. Das alles ist vor allem auch Juan Luis Huerta zu verdanken, der uns mit größter Begeisterung durch den Weinberg geführt hat. 

Stampfbecken für den Wein
Betoneier





















Und hier bauen sie nun ökologischen Wein an. Natürlich wird alles von Hand geerntet (in diese Steillagen kommt eh keine Maschine), die einzelnen Beeren werden von Hand verlesen und mit den Füßen (!) gestampft. Dafür wurden extra neue Tretbecken errichtet. Die Weine werden nicht in Stahltanks ausgebaut, sondern in Betoneiern. Das habe ich erst einmal bei Dr. Kolesch in der LWG (Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, müsste man aber eigentlich kennen!) gesehen. Ab dem nächsten Jahr wollen sie mit der Produktion von Weißwein beginnen.
Amphoren aus Georgien

Dafür sind sie nach Georgien gefahren und haben dort Weinamphoren gekauft, mit denen man wohl schon 6000 vor Christus Wein gemacht hat. Man darf gespannt sein. Einer der Rotweine hat schon 98 Parker-Punkte bekommen. Zu Rossis Geburtstag haben wir eine Flasche GRUS getrunken, köstlich, es war ein Geschenk von Juan Luis.
Wir sind eine ganze Woche im Valle geblieben, in einem sehr persönlichen Hotel, dem Tesoro in Pisco Elqui, das von Christin und Ina ganz liebevoll aufgebaut wurde. Man kann in dem prächtigen Garten sitzen, darüber nachdenken was man so alles erlebt hat, oder was vor einem liegt – oder einfach nur den Kolibris zusehen.
Rossi und Juan Luis Huerta - kleine Kathedrale des Weins

Tesoro - unser Lieblingshotel in Pisco Elqui

PS: 2004 war ich zu ersten Mal in La Serena. Wir haben damals ein Kooperationsabkommen zwischen meiner Fakultät und der Universidad La Serena unterzeichnet. In diesem Zusammenhang waren wir auch im Valle del Elqui und haben das Projekt Sternentourismus entwickelt – „STAR CITY“. Heute führt La Ruta de las Estrellas durch das Tal und das Thema der Astronomie (auch der Astrologie) ist hier zu einem wichtigen touristischem Attraktor geworden.





Weine aus dem Elqui-Tal: nur noch aus Vinoval 

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