29 Valle del
Elqui – Ruta de las Estrellas
Valle del Elqui - Tal der Farbe |
Millionen Sterne, ach, was sage
ich, unzählige Milliarden. Allein unsere Galaxie, die Milchstraße besteht aus
ca. 300 Milliarden Sternen. Wir waren nachts um 12 auf dem Observatorium Mamalluca oberhalb des kleinen
Städtchens Vicuñia. Hier und vor
allem oben in Atacama in Paranal stehen die wichtigsten
Sternwarten der Welt. Auch die ESO (European Southern Observatory) mit Sitz in
Garching betreibt hier große Forschungsanlagen. Für den modernen astronomischen
Wissenschaftsbetrieb ist Mamalluca
mit seinen kleinen Teleskopen inzwischen veraltet und kann so für den Tourismus
genutzt werden. Die Teleskope von Tololo
in der gleichen Gegend sind hingegen noch in Betrieb.
Der Mond über dem Tal |
Es war eine sternenklare Nacht,
der Mond war gerade mal eine hauchdünne Sichel und das Umgebungslicht von der
Kleinstadt Vicuñia war weit weg. Über
uns strahlte das Firmament. Mitten durch den diamant-funkelnden Sternenhimmel zieht
sich die Milchstraße, in der sich beim Betrachten die Gedanken verlieren. Man
hat alles vor Augen, der Himmel so nah, und dennoch alles so weit weg. Und wir
mitten drin, unsere kleine Erde als Teil dieser Galaxie. Wouw! Der Hammer, der absolute Hammer. Und steht da draußen
vielleicht auch jemand, so wie ich, und guckt zu uns herüber?
Auf seiner
kleinen Sternwarte, kurz hinter Alpha
Centauri, wo der kleine Prinz gerade seinen Planeten fegt, rüber zur Erde
guckt und sich überlegt, wen er da vielleicht treffen würde. Vielleicht den
Kapitalisten, der gerade den letzten Baum auf der Erde verkauft, weil es den
ultimativen Profit bringt? Vielleicht einen Deutsch-Türken, der für den großen
Erdogan als neuen Sultan gestimmt hat? Oder vielleicht den tollen
Ami-Präsidenten, der die alternativen Fakten erfunden hat? Ach denkt sich der
kleine Prinz, vielleicht fege ich meinen eigenen kleinen Planeten noch etwas
und besuche die schöne blaue Erde später, erst einmal das Kreuz des Südens.
Das Kreuz des Südens hat uns auf
unserer ganzen Reise begleitet, uns Orientierung gegeben, zumindest wussten wir
dann meist genau, wo Süden war. Für die Ureinwohner dieser Region wurde das
silberweiße Band am Nachthimmel nicht mit Milch in Verbindung gebracht, sondern
für sie war es der Himmelsfluss, an den sich die Tiere des Universums laben
konnten.
So ein schwindelerregender,
erhabener, transzendenter Anblick ist weiten Teilen Europas fast nicht mehr
möglich. Luft- und Lichtverschmutzung und völlig andere klimatische
Verhältnisse machen die Menschen in unseren Breiten für die Großartigkeit des
Universums blind. Und dass in früheren Zeiten dieser Nachthimmel unseren
Vorfahren Ehrfurcht einflößte kann bei diesem Anblick hier im Valle del Elqui gut verstehen.
Die Landschaft um das Valle del Elqui gehört fast schon zur
Atacama, auch eine trockene Landschaft, in der sich gerade mal ein paar
staubige Kakteen halten können. Während in München im Schnitt pro Jahr 930
Liter pro qm Regen fallen (in Bamberg fast ein Drittel weniger), sind es in Pisco Elqui gerade mal 76 Liter und in
manchen Jahren fällt überhaupt kein Regen. Und doch, zwischen den steilen
Felswänden und Berghängen, einer fast vertikalen Wüste, schlängelt sich ein
fruchtbares Tal. Alle Farben Grün.
Fundo Los Nichos |
Die eher hellen Blätter der Johannisbrotbäume,
filigrane Akazien, dunkelgrün duftender Rosmarin, schlanke, hoch aufragende
Pappeln und natürlich die unvermeidlichen Eukalyptusbäume, deren Blätter in
ihrer Jugend eine fast blaue Farbe haben. Hin und wieder sieht man dunkelgrüne
Felder auf denen Palta (Avocado)
angebaut werden und kleine Plantagen mit Citrusfrüchten. Aber der allergrößte
Teil des Tales ist bedeckt mit Weingärten. Das Grün der Rebstöcke von Cabernet
Sauvignon, des Carmenere, Chardonnay, und vor allem des Muscadets, aus der der
Pisco (chileno) produziert wird. Dass sich Peru und Chile seit
Menschengedenken darüber streiten wer denn nun den Pisco erfunden hat – das ist
eine andere Geschichte.
Aber was heißt schon Gärten, Plantagen soweit das Auge reicht. Aus dem geringsten Teil der Ernte wird tatsächlich Wein gemacht. Etwa die Hälfte der Trauben gehen als Tafeltrauben in den Export, hauptsächlich in die USA. Hier wurde offensichtlich Chemie im Übermaß eingesetzt, was zu einer jahrelangen Diskussion im Tal führte. Krankheiten von Kindern und Jugendlichen wurden dafür verantwortlich gemacht. Die andere Hälfte wird zu Pisco verarbeitet (aus der Muscat-Traube wird Wein gemacht und dieser dann zu Pisco gebrannt) – und meist als Pisco Sour genossen, dem chilenischen Nationalgetränk (schmeckt mir sehr!). Aber wie kann das Tal so fruchtbar sein, inmitten dieser trockenen, ariden Landschaft, in der sich mit Müh und Not vielleicht ein paar Kakteen halten können? Die Antwort ist: die mächtigen Berge, die das Tal begrenzen, bergen in ihrem Inneren 52 unterirdische Stein-und-Eis-Gletscher, die das Tal mit ihrem Schmelzwasser zum Blühen bringt. Und darüber: alle Farben Rot und Braun und der Himmel so Blau. Es ist das Blau, das sich vom Horizont – vom blassen Blauton hinauf zum Himmel in der Intensität ekstatisch steigert, sich in der größten Reinheit seiner Farbe zeigt.
Die Gelb-, Ocker- und Brauntöne
der Berge vermählen sich mit der untergehenden Sonne zu Citrus- und
Orangengelb, Rosa in allen Schattierungen, Rot und etwas Purpur bevor der Tag
stirbt und den Sternen der anderen Welten das Feld überlässt: der Blick in die
Transzendenz, die Unendlichkeit des Universums.
Gut. Zurück auf die Erde. Der
allergrößte Teil der Weinberge gehören offensichtlich zwei reichen Familien. Auch
die Pisco-Produktion ist inzwischen so kapitalisiert wie in München die
Bierproduktion (Interbrew und Brau
und Brunnen). So wird auch der Pisco-Markt von zwei Marken
beherrscht: Mistral und Capel. Aber hier oben im Tal gibt es sie noch, die die
sich nicht unterkriegen lassen wollen und die ihren Pisco und den Wein so produzieren
wie es ihnen handwerklich richtig erscheint, hier sagt man artesanal.
Pisco artesanal |
Da ist die kleine Pisco-Destille,
die so produziert wie vor 100
Jahren. Der Fundo LOS NICHOS. Das machen die seit 1868, mindestens. Und so wie
sie heute noch produzieren, so sind sie auch. Los NICHOS (die Gruften,
Gebeinhäuser für die Knochen der Verstorbenen), da werden die guten Piscos
gelagert – und natürlich degustiert). MEMENTO MORI. Die Produktion Pisco Los Nichos pro Jahr entspricht etwa der
Tagesproduktion der großen Destillen.
Cavas del Valle |
Und nun zum Wein.
Wenn man das Tal hinauffährt, kurz vor Monte Grande, stößt man auf die Cavas del Valle. Ein kleines Weingut hat sich ganz der Tradition verschrieben und produziert moderne Weine der Extraklasse. Vor allen ein Weißwein hat es uns angetan.
Eine Muscadet-Traube (eigentlich zu süß für einen
guten Wein), frühreif geerntet und trocken ausgebaut. Ganz großartig!
Monte Grande G. Mistral |
Apropos
Monte Grande, ein kleines Dörfchen in der Mitte des herrlichen Tales. Hier ist
Gabriela Mistral geboren. Sie ist eine der beiden, neben Pablo Neruda, chilenischen
Nobelpreisträger für Literatur.
Den Preis hat sie 1945 bekommen – als Europa in
Schutt und Asche lag.
Wenn man dann hinauf bis ans Ende des Tales fährt, da wo die Straße aufhört, kommt man nach Alcouhuaz. Und selbst in dieser Höhe, so um die 1800 m Höhe wachsen die besten Trauben.
Weingut Alcohuaz |
Es ist das höchste Weingut Chiles (in Argentinien gibt es
ein Weingut auf 3000 m Höhe! – Hammer!) Die Trauben in Valle del Elqui sind einem ganz besonderen Stress ausgesetzt, tagsüber
brennt die heiße Sonne vom wolkenlosen Himmel und nachts bringen die Fallwinde
der Hochanden die notwendige Kälte, damit der Rotwein seine besten Aromen
entwickeln kann. Hier oben begannen die Leute von Viñedos de Alcouhuaz mit der Weinproduktion. Eigentlich wollten ein
paar Kleinbauern oben im Tal und eine reiche Familie aus Santiago nur das Tal
vor den Mineros retten, die hier
große Mengen an Bodenschätzen vermuten. Sie haben sich alle zusammengetan und
ihr Land zu einem Santuario de la
Naturaleza erklären lassen. Das alles ist vor allem auch Juan Luis Huerta
zu verdanken, der uns mit größter Begeisterung durch den Weinberg geführt hat.
Stampfbecken für den Wein |
Betoneier |
Und hier bauen sie nun ökologischen Wein an. Natürlich wird alles von Hand geerntet (in diese Steillagen kommt eh keine Maschine), die einzelnen Beeren werden von Hand verlesen und mit den Füßen (!) gestampft. Dafür wurden extra neue Tretbecken errichtet. Die Weine werden nicht in Stahltanks ausgebaut, sondern in Betoneiern. Das habe ich erst einmal bei Dr. Kolesch in der LWG (Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, müsste man aber eigentlich kennen!) gesehen. Ab dem nächsten Jahr wollen sie mit der Produktion von Weißwein beginnen.
Amphoren aus Georgien |
Dafür sind sie nach Georgien gefahren und haben dort Weinamphoren gekauft, mit denen man wohl schon 6000 vor Christus Wein gemacht hat. Man darf gespannt sein. Einer der Rotweine hat schon 98 Parker-Punkte bekommen. Zu Rossis Geburtstag haben wir eine Flasche GRUS getrunken, köstlich, es war ein Geschenk von Juan Luis.
Wir sind eine ganze Woche im Valle geblieben, in einem sehr
persönlichen Hotel, dem Tesoro in Pisco Elqui, das von Christin und Ina
ganz liebevoll aufgebaut wurde. Man kann in dem prächtigen Garten sitzen,
darüber nachdenken was man so alles erlebt hat, oder was vor einem liegt – oder
einfach nur den Kolibris zusehen.
Rossi und Juan Luis Huerta - kleine Kathedrale des Weins |
Tesoro - unser Lieblingshotel in Pisco Elqui |
PS: 2004 war ich zu ersten Mal in La Serena. Wir haben damals ein Kooperationsabkommen zwischen meiner Fakultät und der Universidad La Serena unterzeichnet. In diesem Zusammenhang waren wir auch im Valle del Elqui und haben das Projekt Sternentourismus entwickelt – „STAR CITY“. Heute führt La Ruta de las Estrellas durch das Tal und das Thema der Astronomie (auch der Astrologie) ist hier zu einem wichtigen touristischem Attraktor geworden.
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