Sonntag, 20. August 2017

Panamá und San Blas

35 Panamá und San Blas


Gegensätzlicher könnte ein Land nicht sein!
Wir kamen am 9 Juni in Panamá an, wenige Tage zuvor, am 29. Mai ist Manuel Noriega in Panamá gestorben, ein Mann, der fast schon in Vergessenheit zu geraten drohte, hat er doch 1989 die größte Luftlandeoperation der Vereinigten Staaten nach dem 2. Weltkrieg ausgelöst. Noriega war zwischen 1983 und 1989 der starke Mann (auf den Titel Präsident hat er verzichtet) in Panamá. Der einstige Freund der Vereinigten Staaten ist in Ungnade gefallen.

Panamá City
Wikipedia: Die Drug Enforcement Administration (DEA), wichtigste Drogenbekämpfungsbehörde der Vereinigten Staaten, warf Noriega vor, maßgeblich im Drogenhandel und -import in die Vereinigten Staaten beteiligt gewesen zu sein, indem er Panama als scheinbar neutrale Basis für unkontrollierte Einfuhr von Drogen in die Vereinigten Staaten bereitgestellt hatte und sich das entsprechend bezahlen ließ. 1986 enthüllten US-Medien, dass Noriega seit mindestens zehn Jahren auf der Gehaltsliste der CIA stand. Da Waffen über Panama an die Contra-Rebellen in Nicaragua gingen, die die linksgerichteten Sandinisten stürzen sollten, verschloss die CIA im Gegenzug die Augen davor, dass Noriega Geschäfte mit dem Medellín-Kartell machte.

Es war schon eine perfide Geschichte. Die pathologische, fast schon paranoide Kommunistenangst und der Hass auf alle linken Umtriebe brachte die seltsamsten Blüten hervor. Besonders bizarr: die Iran-Contra-Affäre. Da Ronald Reagan nicht direkt die rechtsgerichteten Gruppen in Nicaragua (die sog. Contras), die die Sandinisten (FSLN) vertreiben wollten, unterstützen konnte, dachten sich die US-Militärs eine Umweg- Finanzierung aus. Ein wichtiger Partner im Nahen Osten zu dieser Zeit war der Iran, dem die USA Waffen verkauften. Der Erlös aus diesem Deal floss dann über Panamá an die Contras.
Doch der undankbare Noriega machte dann eigene Geschäfte mit dem Medellín Kartell und fiel bei den Amerikanern (und der CIA) in Ungnade. Nachdem sich auch die innenpolitische Situation in Panamá zuspitzte (die Opposition hatte die Wahlen gewonnen und ein Putschversuch gegen Noriega scheiterte), hat sich Präsident George H. W. Bush zur Invasion entschlossen. Vor allem, um seinen Einfluss auf den strategisch immens wichtigen Kanal zu sichern und nebenbei den in den USA wegen Drogenhandel verurteilten Noriega zu fassen. Dieser allerdings hatte Zuflucht in der der Botschaft des Vatikans gesucht; ausgerechnet. Schließlich hat er dann doch aufgegeben und saß die ganzen Jahre in amerikanischen, französischen und panamaischen Gefängnissen. Jetzt ist er sang- und klanglos gestorben – war er doch einer der wichtigsten Protagonisten der Iran-Contra-Affäre und des Politskandals von Ronald Reagan.

Panamá City 1907

Wieder eine so schöne Geschichte von den Amerikanern und ihrem sicheren Gespür für die richtigen Partner und von ihrer Vorstellung von Gut und Böse in der Welt – und wie man das eben am einfachsten regelt.

Panamá City, Finanzzenrum

Der erste Eindruck von Panamá City hat nichts mit dem zu tun, was man sich so unter Lateinamerika vorstellt. Die Skyline der City sieht aus wie ein weltweit agierendes Finanzzentrum – was es wohl auch ist. Was wir ja spätestens aus den Panamá Papers wissen. Es ist eine moderne Stadt, die sich um eine weite Bucht am Pazifik mit ihren imposanten Hochhäusern in den Himmel türmt. Die Stadt ist sauber, aufgeräumt, irgendwie erste Welt, eine Filiale von Hongkong, Atlanta oder London. Hier befinden sich acht der zehn höchsten Gebäude Lateinamerikas, über 22 Hochhäuser ragen mehr als 200 Meter in den karibischen Himmel. In dem modernen Viertel findet sich alles was die kapitalistische Welt so zu bieten hat: verschwiegene Schwarzgeldkonten, luxuriöse Einkaufszentren, die teuersten Labels, Restaurants und Clubs. Diesen sichtbaren Wohlstand verdankt Panamá nicht nur der „Finanzwirtschaft”, sondern vor allem auch dem Kanal! Bei der Kanalgesellschaft direkt sind ca. 30.000 Menschen angestellt; eine Kanaldurchfahrt kostet mindestens eine halbe Million US$ pro Schiff.

Und überhaupt der Kanal. Das Ganze habe ich mir etwa so wie den Main-Donau-Kanal vorgestellt: Betonwände, hässlich, gerade. Nur größer eben. Weit gefehlt. Der größte Teil des Kanals besteht aus einem riesigen See (Gatún-See), der 1924 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, mit einer unglaublichen Dichte an Flora und Fauna. Alleine in diesem See gibt es 38 Säugetierarten, darunter Opossum, Faultier, Gürteltier, Ameisenbär und vor allem Affen. Besonders die Kapuziner- und Totenkopfäffchen klettern auf die Ausflugsboote und wollen von den Touristen mit Erdnüssen gefüttert werden. Ein Handy kann schon auch mal zur Beute gehören.

Aber sie sind natürlich auch da, die mächtigen Containerschiffe. Es ist schon ein besonderer Anblick, wenn diese Ozeanriesen fast lautlos durch den See gleiten, mitten durch den tropischen Regenwald.
Der Bau des Kanals hat viele Opfer gefordert. Vor allem Menschenopfer, mindestens 20.000 Menschen starben beim Bau, vor allem an Gelbfieber und anderen tropischen Krankheiten. Ingenieure scheiterten an der Aufgabe, Firmen gingen pleite, Bewohner wurden aus ihrer Heimat verdrängt. Aber irgendwann wurde er dann doch fertig; 2014 wurde das 100jährige Bestehen gefeiert.

Der Kanal

Neben dem modernen Panamá gibt es auch das alte Panamá, Casco Viejo, die Altstadt, die sich auf das Feinste herausgeputzt hat! Die Gründung dieser Stadt geht ungefähr auf das Jahr 1680 zurück und hatte schon damals eine bedeutende wirtschaftliche Lage. Jedenfalls haben wir in der Altstadt ganz vorzüglich gegessen und manches gute Glas getrunken. Großartig renovierte Häuser und Paläste aus der Kolonialzeit, kleine Märkte und noble Boutiquen: eine schöne Atmosphäre, wo man als Tourist sein Geld ausgeben kann.

Casco Viejo

Der größte mögliche Kontrast zu dem modernen Panamá ist ein Ausflug zu den San Blas Inseln, der Heimat der Kuna-Indianer.








San Blas Islands
San Blas

Bei unserer Reise nach Panama wollten wir nicht nur Panamá City besuchen, sondern auch die Gelegenheit ergreifen und ein paar Tage bei den Kuna verbringen. Die Kuna, auch Guna genannt, sind die größte indigene Gruppe Panamas. Die Heimat der etwa 60.000 Kunas ist ein schmaler Landstreifen an der karibischen Küste Panamás und die vorgelagerten karibischen Inseln, die San Blas Inseln. Die Kuna haben lange Zeit hart um ihre Autonomie gekämpft und sind zurecht stolz darauf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von Repressalien von Seiten der Regierung von Panamá, unter anderem auch einem Verbot für das Tragen der traditionellen Tracht, zu großen Widerständen und in der Folge im Jahr 1925 zur Kuna-Revolution. Nach blutigen Kämpfen sicherte die Regierung von Panamá den Kuna ein autonomes Gebiet mit eigener Verwaltung und Rechtsprechung zu.

Auf den Inseln leben die Kuna vor allem vom Fischfang, Anbau von Kokospalmen, und natürlich vom Tourismus. Eine weitere wichtige Einnahmequelle ist der Verkauf von Molas. Dazu später mehr. Von mehreren Hunderten von Inseln sind etwa 50 bewohnt. Auf einer dieser Inseln, Naranja Chica, haben wir zusammen mit unseren Freunden Katrin und Johannes einige Tage verbracht. Für unseren Transfer nach Kuna Yala (Heimat der Kuna) sollten wir um fünf bei unserem Hotel in Panama City abgeholt werden. Keine Ahnung, warum das alles immer nur zu so schrecklichen Zeiten stattfindet: Kanaltour startet um halb sieben, Tour nach Kuna Yala um fünf Uhr morgens, aber egal ist halt so. Zweieinhalb Stunden Fahrt, zuerst etwa eine Stunde bis wir aus der Stadt draußen sind, dann 11/2 weitere durch wildes Bergland, enge, kurvige, steile Straßen. Und dann mitten im Wald die Grenze zum Kuna Yala Land. Eine sehr strenge Beamtin überprüft unsere Pässe und dann sind wir im Land der Kuna. Nach einer weiteren halben Stunde erreichen wir den Hafen, bestehend aus zwei kleinen Unterständen und einem Toilettenhäuschen. Wir bezahlen unsere Hafengebühr, unsere Rucksäcke werden in ein kleines Boot mit Außenmotor geladen und los geht’s auf unsere Insel. 

Jetzt sind wir mitten in der Karibik, das Meer Türkis wie im Katalog, wir fahren an zahlreichen kleinen Inseln vorbei, manche so klein, dass nur eine einzige Palme darauf Platz hat. Unsere Insel, Narnaja chica, ist etwas größer, geschätzte 100 auf 200 Meter. Darauf leben mehrere Kuna-Familien und außerdem sind da etwa 30 kleine Hütten als Touristenunterkünfte. Es gibt einen kleinen Laden mit Bar und Fernseher, in dem Bier, Wasser und Cola verkauft wird, aber kein Restaurant oder Café – man kann dort nur „all-inclusive“ buchen, und – natürlich – kein Internet. Strom für Licht und Fernseher kommt von einem Dieselgenerator. Sonst gibt es außer einem Kühlschrank keine elektrischen Geräte. Die Unterkünfte sind einfach: Holzhütten mit gestampftem Erdboden, Dächer aus Palmblättern, darunter noch etwas Plastik zum Schutz vor dem Regen, der in der Regenzeit, die gerade ist, sehr heftig sein kann.

Einziges Möbelstück ist ein Bett mit Moskitonetz. Unsere Hütten mit einer privaten Dusche, aus der ein Rinnsal kaltes Wasser kommt und einer Toilette mit Wasserspülung sind da schon die besseren. Die Frage nach einer zweiten Hängematte wird direkt mit einem Upgrade beantwortet. Wir wohnen jetzt in einer größeren Hütte mit Veranda, von der aus man über eine Strickleiter direkt ins Meer gelangt. Toll! So ist das also im karibischen Paradies. Der Blick vom Strand oder von der Terrasse aufs Meer ist traumhaft. Einmal kam ein riesengroßer Rochen an unserer Hütte vorbei, ein anderes Mal sahen wir ganz viele fliegende Fische und Zebrafische haben uns stets in großer Zahl Gesellschaft geleistet. 

Jetzt wissen wir auch, wie der Janosch auf die Tigerente kam. An ersten Abend dort haben wir zusammen mit den einheimischen Männern und Kindern bei der „Ladenbar“ das Fußball-WM-Qualifikationsspiel Panama gegen Honduras geschaut. Ergebnis 2:2. leider hat es für Panama trotz aller Unterstützung vor dem Fernseher nicht zum Sieg gereicht. Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug zu einer der Nachbarinseln, auf dem Heimweg müssen wir noch ein paar Fische fangen. Wir brauchen ja auch ein Mittagessen. Die Jungs, die das Boot steuern helfen natürlich, aber Theo war dabei auch ganz erfolgreich. Unterwegs kommen wir an einer flachen Stelle mit ganz vielen Sehsternen vorbei. Auf der Nachbarinsel fragen wir nach einer frischen Kokosnuss. Kein Problem: ein junger Mann wird gerufen, um uns die Kokosnuss frisch vom Baum zu holen.

Wir würden es mit Mühe und Not mit einer Leiter die 4 bis 5 Meter hoch auf die Palme schaffen. So vertreiben wir uns die Zeit auf San Blas mit süßen Nichtstun, verbringen den Abend beim Fußball oder plaudernd auf unserer Terrasse und tagsüber dösen wir alle im Schatten in der Hängematte oder sonst rumlümmelnd lesend im Schatten oder in der Sonne (das schafft aber nur die Katrin), nur unterbrochen von kleinen Erfrischungen im karibischen Meer.
Soweit so gut. Ein paar nicht so schöne Dinge gibt es natürlich auf unserer schönen Insel. Wie die Mapuche Indianer in Chile ist auch die Ordnungsliebe der Kuna nicht sehr groß. Wie es vor und um ihre Hütten ausschaut ist eher „Kleinrussland“. Unordnung und auch Müll scheint sie nicht groß zu stören. Da es keine Waschmaschinen gibt, darf man keine strahlen weiße und saubere Bettwäsche erwarten, die große Luftfeuchtigkeit und die nicht ganz dichten Dächer machen das Ganze nicht besser. Und die Hängematten sind für Menschen mit etwas empfindlichen Nasen eher nicht benutzbar. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Versorgung der Touristen allein den Männern übertragen ist, die in diesen Dingen manchmal etwas anspruchsloser sind.
Unsere Hütte

Im Gegensatz zu den einheimischen Männern, die Shorts und Baseball-Mützen haben, tragen die Frauen bei den Kuna nach wie vor wunderschönen traditionelle Kleidung. 
Kuna, Inselchefin, Mola

Diese besteht aus einem blauen Rock, einer bunten Bluse, auf die vorne und hinten Molas aufgenäht sind. Die Unterschenkel und Unterarme sind eng umwickelt mit Ketten aus kleinen bunten Glasperlen. Schaut toll aus! Die Frauen haben in der Familie das Sagen, Eigentum wird von Mütter auf Töchter vererbt, und nach der Heirat zieht der Schwiegersohn ins Haus der Schwiegermutter. Mit dem Nähen und dem Verkauf von Molas bestreiten die Frauen einen wesentlichen Teil des Familieneinkommens.Was sind jetzt eigentlich diese Molas? Molas haben ihren Ursprung in der Körperbemalung. Diese Motive und traditionellen Muster wurden auch für die Molas verwendet, von denen die ältesten zwischen 150 und 170 Jahre alt sind. Die Grundfarben der Molas sind typischer Weise weinrot, orange oder schwarz. 





Darauf werden aus mehreren Lagen Stoff mit buntem Faden geometrische Motive oder Tiermotive in Handarbeit in winzigen Stichen in verschiedenen Stichtechniken aufgenäht. Die Fertigstellung einer solchen Mola kann Hunderte von Stunden dauern. Eine Heidenarbeit! Aber toll! Jede Mola ein Kunstwerk! So wichtige Kunstwerke, dass die schönsten Exemplare im Museo de Oro in Bogota in einer Sonderausstellung zu sehen sind.
Das ist Karibik pur.









Ein Prost auf den Kanal - mit Vinoval!

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