34 Medellín und das Kaffeeland
Medellín |
Botero - Botero Platz |
Botero hat schon eine ganz eigene
Sprache. Was im ersten Moment so dick, pausbackig daherkommt, aus allen Nähten
zu platzen scheint gibt hinter der Fassade einen Blick frei auf viele
Widersprüche dieser Gesellschaft. Gesichtsausdrücke, die in Formalität
erstarren, Menschen, die sich eher zugeordnet begegnen als sich zugeneigt sind,
die trotz Nähe nur Trennendes ausstrahlen. Bei all der vordergründigen
Wuchtigkeit (und Wichtigkeit) übersieht man gerne die Hintergründe, die
Spiegelbilder der Banalitäten.
Botero Leda und der Schwan |
Mona Lisa |
Boteros Mona Lisa transferiert das
unendliche Lächeln des Originals in die Welt einer erwachsenen Puppenstube und
einer angefressenen Fassade, die das Hohle verdecken soll.
Bei Boteros Leda und der Schwan wird
Leda nicht von Zeus verführt, Verführung als eine der höchsten kommunikativen
Künste des Menschen, sondern fantasielos platt gemacht, Geschlechtsverkehr Auge
in Auge, mit stechendem Blick.
Botero Platz |
Hier auf dem Botero-Platz von
Medellín versammelt Botero all die Banalitäten und Banalen der Gesellschaft:
Der feine Herr mit Melone und den viel zu kleinen Patschhänden, die gerade mal
den Stock halten, aber ansonsten zu nichts zu gebrauchen sind. Oder die feine
Dame in ihrem Dirndlverschnitt, die nicht merkt, welcher Lächerlichkeit sie
sich preisgibt. Ganz große Kunst!
Medellín ist die Heimat von Botero,
hier ist er 1932 geboren. Der Reiseleiter, mit dem wir eine Tour durch Medellín
gemacht haben, erzählte uns, dass der „Maestro“ all die Skulpturen auf dem
Botero-Platz seiner Heimatstadt geschenkt hat, die Menschen dort danken es ihm
mit größter Hochachtung. Die Stadt hat sich dieser Kunst bemächtigt, sie ist
Teil des Lebensgefühls geworden.
Botero Platz |
Museal, aber nicht weniger
interessant, ist das Botero-Museum in Bogotá. Neben der großartigen
Präsentation einiger Skulpturen kann man hier vor allem den Maler Botero
bewundern. Ganz besonders hat es mir die Mona Lisa angetan. Diese
Transformation der Hintergründigkeit ins Banale, der hohlen Würde schaler
Schein.
marginal und modern |
Medellín ist eine schwierige Stadt,
der man sich nur schwer nähern kann. Eine 2,5-Millionen Metropole, die sich in
1500 m Höhe zwischen steile Andenhänge hineingezwängt hat. So ein Zentrum wie
Bogotá oder Lima hat Medellín eigentlich nicht. Der Mittelpunkt ist der Botero Platz,
hier dominieren Neo-Stile. Vor allem die neuromanische Basilika, die um 1890
errichtet wurde, prägt das Gesicht dieser Stadt. Irgendwie ein Zentrum, das uns
zum Ausgehen animiert hätte, haben wir nicht gefunden – vielleicht waren wir
einfach zu kurz in Medellín. Die Stadt ist modern und marginal, beeindruckend
und banal. So richtige Sehenswürdigkeiten – außer natürlich der erwähnten Kunst
– gibt es eigentlich nicht. Da wird dann schon mal ein winziger Park, in dem
man barfuß laufen soll als „sehenswert“ angepriesen. Nun gut.
Museo de Arte Moderno Medellín |
Ganz begeistert waren wir von dem Museo de Arte Moderno de Medellín, das
praktischerweise direkt neben unserem Hotel war. In einem beeindruckenden
modernen Museumsbau ist großartige Kunst untergebracht. Zwei dort präsentierte
Künstlerinnen haben mich besonders beeindruckt: Débora Arango und Ethel
Gilmour.
Debora Arango |
Debora Arango |
Ethel Gilmour |
Wir verlassen Medellín, haben uns
einen Mietwagen genommen, fahren ins Kaffee-Land. In das Quindío. Dieser Landstrich ist eine großartige Kulturlandschaft,
die vor allem vom Kaffeeanbau lebt. Die Kaffeestaude liebt die Höhe und die
Bohne braucht auch die frischen Winde dieser eher wilden
Mittelgebirgslandschaft, die sich ein einer Höhe zwischen 1000 und 2000 m
erstreckt. Der Kaffee gehört zu den Kulturpflanzen, die trotz intensiven Anbaus
keineswegs den Eindruck von Monokulturen erwecken. Zwischen all den
Kaffeestauden, die sich selbst an die steilsten Hänge klammern, gedeihen
Bananen, Yuca, Kartoffeln, Avocado und die leckersten Früchte.
Don Leo, Kaffeebauer |
Vor allem aber haben das Quindío und die Kaffeebauern
eine ganz einmalige Architektur entwickelt, die diese ganze Landschaft prägt.
Diese Häuser sind aus Bambus und Lehm gebaut. Diese Bauweise ist als Paisa-Stil bekannt, der nach einer Bevölkerungsgruppe der Region benannt
ist. Vor allem sind die meist ein- bis zweistöckigen Häuser in den schönsten
Farben bemalt.
Diese ganz einmalige Kunst wurde auch von der UNESCO mit der
Anerkennung als Welterbe ausgezeichnet. Davon profitiert natürlich auch der
Tourismus, der inzwischen eine hohe Qualität erreicht. Vor vielen Jahren habe
ich einmal für die Deutsch-Kolumbianische Handelskammer ein Projekt „Urlaub auf
der Kaffeeplantage“ entwickelt. Es hat anscheinend gute Früchte getragen. Die
Dörfer Salento, Filandia, Pijao und viele
andere sind alle eine Reise wert.
Salento |
Filandia |
Apropos Pijao! Ein kleines, typisches Kaffeedorf
mit seiner Plaza, den Kaffeebars und auch den notwendigen kleinen Geschäften. Der
Name Pijao war auch der Name der
Indianer, die vor 1000 Jahren in diesem Tal wohnten. Ausgrabungen haben eine
Reihe von Artefakten, vor allem beeindruckende Tongefäße zutage gebracht, die
auf eine ausgeprägte hohe Kultur schließen lassen. Überall sonst wo hätte man
diese Schätze gut bewacht in einem Museum untergebracht; hier in Pijao genügt anscheinend eine einfache Vitrine
an einem Häusereck. So kann man Kunst auch präsentieren.
Pijao - museale Kunst auf der Strasse |
Wie man in
Weinbaugebieten Winzer und Weinberge besuchen sollte, so ist der Besuch auf
einer Kaffeehacienda ein unbedingtes Muss. Die Kaffeeproduktion in Kolumbien
ist ähnlich kleinräumig strukturiert wie der Weinbau in Deutschland. Die meisten
Kaffeebauern haben nur wenige Hektar und fast alles wird, vor allem auch wegen
der Steillagen, noch von Hand bewirtschaftet. Kolumbien, Quindío, ist das
weltgrößte Anbaugebiet für Arabica-Kaffee,
die Sorte, die gegenüber dem weit verbreiteten Robusta als die qualitativ bessere gilt. Der Anteil an der gesamten
landwirtschaftlichen Fläche beträgt in Kolumbien etwa 1,8%, ein insgesamt eher
überschaubarer Anteil.
Kaffeeverkostung |
Während der
Robusta-Kaffee sich auch für niedere Lagen eignet, besteht der wesentliche
Unterschied im Koffein-Gehalt. Bei dem Arabica beträgt er zwischen 0,8 und 1,5
%, bei Robusta zwischen 1,7 und 3,5%.
Weltweit steht
Kolumbien in der Gesamtproduktion an dritter Stelle (15 Millionen Säcke á 60
kg), hinter Brasilien (55 Millionen Säcke) und Vietnam (25 Millionen), wo
allerdings hauptsächlich Robusta
angebaut wird.
Aber Kaffee ist
vor allem ein Genussmittel – über 800 Aromastoffe können sich bei der
entsprechenden Zubereitung entfalten. Weltmeister im Kaffeetrinken sind die
Dänen, ihre tägliche Koffein Aufnahme beträgt 280 Milligramm, die Deutschen
schon ziemlich abgeschlagen bei 200 Milligramm, und die Italiener, wer hätte
das gedacht, bei schwachen 127 Milligramm. Wo sie doch eigentlich die
Kaffeemaschine erfunden haben? Und schon vor 100 Jahren nach Kolumbien
exportiert haben, siehe Foto.
Kaffeeautomat aus Italien |
Beim Kaffee
vollzieht sich eine ähnliche Entwicklung wie beim Wein. Man kann nicht mehr gut
davon leben, die geernteten Bohnen einfach bei der Genossenschaft abzuliefern, kreative
Lösungen sind gefragt. Wie bei den Winzern setzen viele nun auf Eigenmarken,
Direktvermarktung und arbeiten viele an neuen Aromen und Geschmacksrichtungen.
Bei einigen Führungen
und Verkostungen waren wir dabei. Es muss einem ja nicht alles schmecken, aber
irgendwie haben sich ganz neue Geschmackswelten aufgetan.
Durch das
Quindío zieht sich das Cocora Tal, das sich vor allem durch eine ganz besondere
Palmenart, die Wachspalme auszeichnet. Für die moderne Wissenschaft hat sie
Alexander von Humboldt 1801 erstmals beschrieben. Die Wachspalme ist die
höchste Palmenart der Welt und kann bis 60 m hoch werden. Dabei zeichnet sie
sich durch ein sehr langsames Wachstum aus und wird mehrere hundert Jahre alt.
Valle de Cocoa - Wachspalmen |
Die Fahrt von
Medellín in das Kaffeeland war zwar vom ständigen Kampf mit den schweren
Lastwagen begleitet, die sich auch über die steilen und engen Straßen des
Gebirges quälten, landschaftlich aber ein großer Genuss. Die üppige Vegetation,
die steilen Hänge und tiefen Täler, die Dörfer, die auf dem schmalen Grat der
Bergrücken klebten, wilde Wolken, die sich immer wieder vor die Sonne schoben
und die eine dominierende Farbe: 1000fach grün!
Stille Tage im Kaffeeland |
Und dann kamen
wir an in unserer Unterkunft: Wir haben über AirBNB ein Apartment auf
einer Finca gebucht. Die Beschreibung und die Bilder sahen toll aus – eine
Finca in Bambusarchitektur. Und es war mindestens so schön wir erwartet. Ein
großes Schlafzimmer, eine gut ausgestatte Küche, ein sehr gepflegter Garten,
eine Terrasse mit Hängematte – es war perfekt.
Und das alles wunderbar gelegen
inmitten von Kaffeeplantagen und Bananenbäumen - traumhaft ruhig, aber mit WLAN – genau das Richtige nach den Tagen in den
hektischen Großstädten Bogota und Medellín. Yudy, ihre Tochter Natalia und
Adelia, eine Freundin von den beiden, haben uns sehr herzlich aufgenommen und
uns bei dem ein oder anderen Glas Wein teilhaben lassen an den Freuden und
Problemen des Lebens in dieser Region. Das Tüpferl auf dem i waren dann noch
die Haustiere: die 2 Katzen Margarita und Gabriel, die uns vom ersten Abend an
nicht mehr von der Seite gewichen sind, und Paco, der kleine Hund, der immer
mit uns spazieren gehen wollte.
So war das – im Kaffeeland!
Vielleicht sollte man auch Kaffee nur noch aus Vinoval trinken!
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