33 Antofagasta
– Lima – Bogota
Die staubigen Straßen von San Pedro |
Zurück in San Pedro de Atacama. Wir holen nur noch den
Subaru ab und verlassen diese einmalige Oase. Diese so ganz eigenartige
Mischung zwischen hängen gebliebenen Hippies, durchreisenden Travellern,
Fremden und Einheimischen, Mineros, Arbeiter, Angestellte und Unternehmer aus
dem nahen Bolivien, Sinnsuchern und ganz normalen Touristen. Die staubigen
Straßen mit den flachen Häusern, die fast alle aus Lehmziegeln gebaut sind, die
vielen Kneipen und Bars, wo sich die Reisenden aus aller Herren (oder sollte
man heutzutage Damen sagen?) Länder treffen, die unzähligen Reiseanbieter für
Valle de la Luna, zu den Geysiren von Taito oder zu dem Salar von Uyuni.
Überall gibt es diese Andenkenläden, meist mit Strickwaren aus Lama-Wolle und
sonstigem Krimskrams. Und Coca-Blättern zum Kauen – wegen der Höhe.
San Pedro |
Es ist die so ganz eigenartige Mischung aus den
Leuten, bei denen schon wegen der Höhe von 2500 m keine Hektik aufkommt, die
was Anderes suchen – was auch immer. San Pedro de Atacama (die Oase in der
Wüste) erinnert mich irgendwie an Dawson City –auch eine Art Oase – im hohen
Norden Kanadas, am Yukon. Mit all den verschrobenen, komischen, tragischen und
abgefahrenen Typen, die dort eben alles suchen, nur nicht das ganz normale
Leben.
Die Kälte der vergangenen Nächte steckt uns noch immer
in den Knochen, fast freut man sich da auf das eher sehr kleine Zimmer im Ibis,
Antofagasta.
ANTOFAGASTA
Jetzt ist Antofagasta nicht der Ort, an dem man sich
freiwillig länger aufhalten will. Aber wir mussten nun endgültig unser Auto
verkaufen – dafür schien uns Antofagasta von der Größe und der Lage her
geeignet. Und hat auch einen internationalen Flughafen – irgendwie müssen wir
ja auch weiterkommen. Und bevor das Auto nicht verkauft ist brauchen wir keine
Pläne machen, keinen Flug buchen, im Ibis ausharren, auf Käufer warten.
Wir haben das Auto auf zwei bekannten online-Seiten
ins Netz gestellt (Yapo.cl und chileauto.cl), das war am Sonntag.
... und Tschüss |
Hernán, unser Retter bei dem kaputten Auto, und
Alicia, seine Frau, haben uns zu sich nach Hause zu Essen eingeladen (ganz köstliche
Ceviche), es war ein ganz reizender Abend.
Als dann der Subaru ohne uns die Tiefgarage verlassen
hat waren wir schon etwas traurig. Ist natürlich Unsinn, wegen einem alten Auto! Aber
immerhin.
LIMA
Die großartige Seite von Lima |
Lima war nur als Zwischenstopp geplant. Den
ursprünglichen Plan, nach Cuzco und Macchu Picchu zu fahren haben wir fallen
gelassen, stattdessen wollten wir Stadt satt. Lima ist Stadt satt. Das Hotel
war der klassische Fehlgriff (ich hasse Hotels, bei denen die Zimmerfenster in
einen schrecklichen Lichtschacht gehen), die Stadt aber hat was.
Lecker Essen |
Und das Beste: Man kann hier richtig gut essen! Wir
sind in einem Restaurant gelandet, die baskisch-peruanisch gekocht haben. Beide
Länder verstehen was vom Kochen! Es gab gratinierte Stabmuscheln (mit mehr Petersilie
als beim Poseidon). Und Pinxos der Vorzugsklasse – so gut wie im Baskenland.
Ein Tag Lima ist nicht genug. In dieser Stadt knüllt
sich so gut wie alles zusammen was Peru ausmacht. Hier lebt ja schließlich etwa
ein Drittel der Bevölkerung von Peru, an die 10 Millionen Menschen. Dieses
Schicksal teilt Lima mit vielen lateinamerikanischen Ländern: überall entstehen
Megacities, die kaum mehr beherrschbar sind, während das Land ausblutet.
An der Steilküste |
Die Stadt hat eine außergewöhnliche Lage: sie liegt in
der Verlängerung der Atacama, von Wüste umgeben am pazifischen Ozean, und
thront auf einem Steilhang. Oben ist diese riesige Stadt entstanden, aber auch
der kleine Küstenstreifen unten wird intensiv genutzt: für Straße,
Tennisplätze, Bars und sonstige Promenaden.
... und solche ... |
Die Stadt ist groß, alt, modern, quirlig, emsig,
schrecklich, leicht verkommen und aufregend zugleich.
Es gibt solche Ecken ... |
Besonders auffallend – und daran habe ich mich noch
nach vielleicht 20 Jahren erinnert – sind diese großartigen, einmaligen und
stilprägenden Balkone, die sich aus dem Kolonialstil noch herübergerettet haben
– und als Gestaltungselement auch von der modernen Architektur wieder
aufgegriffen werden.
... aber auch solche. |
Man kann nicht alles machen – Lima, vielleicht später
noch einmal.
BOGOTA
Bogota |
Hammer. Eigentlich war Bogotá früher immer so eine no-go-area, gefährlich, überall Diebe
und Mörder, Halsabschneider. Vorsicht! Aufpassen! Nicht nachts auf die Straße
gehen! Das waren die Ratschläge, die man immer bekam. Wir wurden zwar auch
schon damals nicht überfallen (das war wohl in den 80er Jahren) – und jetzt
schon gleich gar nicht! Dieses Bogotá hat sich zu einer tollen, weltoffenen,
saubereren und sicheren Stadt gewandelt – ganz großartig (meine Güte, ja, man
kann in jeder Stadt überfallen werden, selbst im Glockenbach sind die Schwulen
nicht mehr sicher), aber hier in Bogotá ist nicht mehr die Angst ständiger
Begleiter, es ist eine Lust hier auszugehen, diese wunderbare Stadt zu erobern.
Das historische Bogotá |
Wir waren offensichtlich – nach all der wunderbaren
Natur – etwas ausgehungert, kulturell. Das Ibis (noch immer nicht unsere
liebste Absteige, irgendwie gewöhnt man sich daran) lag direkt neben dem MUSEO
NACIONAL, ein wunderschöner Bau mit großartigem Inhalt. Ein Eintauchen in die
Jahrhunderte vor, während und nach der Konquista. Ein großes Stück Geschichte
eben. Das Beste war: dieses Museum, und auch alle anderen, war bevölkert von
Kinder, Schulklassen, Jugendlichen. Toll!
Botero Museum und La Moneda |
Vom Altertum zur Zeitgeschichte. Das Botero-Museum hat
offen, auch an einem Montag. Es war eigentlich noch viel besser. Der ganze
Museumskomplex, La Moneda (inclusive
Botero) hat immer offen, kostenlos, für alle!
Kunst für alle! |
Bogota, so scheint es, identifiziert sich mit einer
Kunst, als sei es ein Teil seiner Identität, so als schöpfte die Stadt
Lebensfreude aus einer anderen Welt. Die Vergangenheit ist eher eine tragische
Geschichte. Über fünfzig Jahre herrscht in Kolumbien im Grunde Bürgerkrieg. Die
FARC, die revolutionären Streitkräfte wie sie sich nennen, zog 1964 in den
bewaffneten Kampf gegen den Staat, das Militär, sonstige bewaffnete Gruppen,
Korruption und die Drogenkartelle. Der Entstehung der FARC ging eine etwa
zwanzig Jahre dauernde Zeit der Gewalt – la
violencia – voraus, an dem sich Politiker, Parteien, Drogenbosse und
Kleinbauern beteiligten, unzählige paramilitärische Gruppen wurden gegründet,
die sich dann gegenseitig massakrierten. Während der violencia wurden einige „autonome Republiken“ gegründet, unter
anderem die Republik Marquetalia, die dann von dem kolumbianischen Militär unter Mithilfe der CIA wieder
aufgelöst wurde. Die Überlebenden waren schließlich die Keimzelle einer neuen
revolutionären Bewegung, aus der dann schließlich die FARC hervorging. Diesem
Land wurde nichts erspart. Auf beiden Seiten herrschte die pure Gewalt. Weit
über 200.000 Personen, meist Zivilisten, sollen bei diesem Konflikt ihr Leben
gelassen haben. Irgendwann ist die FARC selbst in den Kokain-Anbau und Handel
eingestiegen, die Grenze zwischen revolutionären Handlungen und reinem
Verbrechertum haben sich vollständig aufgelöst.
Es gab in der
Vergangenheit viele Versuche, diesen Konflikt zu lösen, doch diesmal schein ein
Friedensprozess in Gang gekommen zu sein, in den viele Menschen Hoffnung
setzen. Zu wünschen ist es diesem Land.
Botero, übrigens, ist hier eine ganz große Nummer.
Aber das ist eine andere Geschichte – die kommt nochmal in Medellín! Neben
Botero sind hier auch andere großartige Werke zu sehen: Ernst, Picasso, Klee,
Miro, Giacometti und viele andere. Drinnen sind all diese Künstler in der Moneda, der alten Münze, aufs
prächtigste untergebracht – draußen vor der Tür sind die Graffiti-Künstler am
Werk.
Es ist Feiertag, über der Stadt liegt eine Art
ausgelassene Ruhe. An Sonn- und Feiertagen sind die Hauptverkehrsadern der
Stadt für den Autoverkehr gesperrt und die Bevölkerung hat sich diesen Raum
zurückerobert. Mütter schieben ihre Kinderwägen, Inliner sind in kleinen
Gruppen unterwegs und die Radler nehmen auf die zahlreichen Fußgänger
Rücksicht, die hier einen kleinen Sonntagsspaziergang unternehmen.
Plaza Bolívar |
Am Abend gehen wir aus. Eine gute Gegend voller Bars,
Restaurants und Kneipen. Wir essen Italienisch, das gute italienische Essen.
Und dann das Gold-Museum, Museo de Oro – der absolute Wahnsinn. Nein, es ist nicht das Gold,
der materielle Wert, es ist die Faszination der Formenvielfalt, das zeitlose
Design, das vielleicht damals seinen Anfang nahm, und nichts Besseres nachkam?
Wie bei den Skythen?
Es ist diese Wucht der Ausdrucksmöglichkeit, dieses
fast sonst nie erreichte ästhetische Niveau der Gestaltungstiefe, einer
Klarheit der Formgebung, ein Fest der Sinne. Es ist überwältigend, manches auch
furchteinflößend. Tiere, Fabeltiere, heilige Tiere. Masken, Freund oder Feind?
Von Sklaven oder Herren? Und natürlich Schmuck – in jeder denkbaren Form. Was
für ein Genuss.
El Dorado |
Bogotá ist wieder zu einer der ganz großen Metropolen
in Lateinamerika geworden, nicht nur seiner Größe wegen. Eine faszinierende
Stadt.
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