35 Panamá und San Blas
Gegensätzlicher könnte ein Land nicht sein!
Wir kamen am 9
Juni in Panamá an, wenige Tage zuvor, am 29. Mai ist Manuel Noriega in Panamá
gestorben, ein Mann, der fast schon in Vergessenheit zu geraten drohte, hat er
doch 1989 die größte Luftlandeoperation der Vereinigten Staaten nach dem 2.
Weltkrieg ausgelöst. Noriega war zwischen 1983 und 1989 der starke Mann (auf
den Titel Präsident hat er verzichtet) in Panamá. Der einstige Freund der
Vereinigten Staaten ist in Ungnade gefallen.
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Panamá City |
Wikipedia: Die Drug
Enforcement Administration (DEA), wichtigste Drogenbekämpfungsbehörde der
Vereinigten Staaten, warf Noriega vor, maßgeblich im Drogenhandel und -import
in die Vereinigten Staaten beteiligt gewesen zu sein, indem er Panama als scheinbar
neutrale Basis für unkontrollierte Einfuhr von Drogen in die Vereinigten
Staaten bereitgestellt hatte und sich das entsprechend bezahlen ließ. 1986
enthüllten US-Medien, dass Noriega seit mindestens zehn Jahren auf der
Gehaltsliste der CIA stand. Da Waffen über Panama an die Contra-Rebellen in
Nicaragua gingen, die die linksgerichteten Sandinisten stürzen sollten,
verschloss die CIA im Gegenzug die Augen davor, dass Noriega Geschäfte mit dem
Medellín-Kartell machte.
Es war schon
eine perfide Geschichte. Die pathologische, fast schon paranoide
Kommunistenangst und der Hass auf alle linken Umtriebe brachte die seltsamsten
Blüten hervor. Besonders bizarr: die Iran-Contra-Affäre. Da Ronald Reagan nicht
direkt die rechtsgerichteten Gruppen in Nicaragua (die sog. Contras), die die
Sandinisten (FSLN) vertreiben wollten, unterstützen konnte, dachten sich die
US-Militärs eine Umweg- Finanzierung aus. Ein wichtiger Partner im Nahen Osten
zu dieser Zeit war der Iran, dem die USA Waffen verkauften. Der Erlös aus
diesem Deal floss dann über Panamá an die Contras.
Doch der
undankbare Noriega machte dann eigene Geschäfte mit dem Medellín Kartell und
fiel bei den Amerikanern (und der CIA) in Ungnade. Nachdem sich auch die
innenpolitische Situation in Panamá zuspitzte (die Opposition hatte die Wahlen
gewonnen und ein Putschversuch gegen Noriega scheiterte), hat sich Präsident
George H. W. Bush zur Invasion entschlossen. Vor allem, um seinen Einfluss auf
den strategisch immens wichtigen Kanal zu sichern und nebenbei den in den USA
wegen Drogenhandel verurteilten Noriega zu fassen. Dieser allerdings hatte
Zuflucht in der der Botschaft des Vatikans gesucht; ausgerechnet. Schließlich hat
er dann doch aufgegeben und saß die ganzen Jahre in amerikanischen,
französischen und panamaischen Gefängnissen. Jetzt ist er sang- und klanglos
gestorben – war er doch einer der wichtigsten Protagonisten der Iran-Contra-Affäre
und des Politskandals von Ronald Reagan.
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Panamá City 1907 |
Wieder eine so
schöne Geschichte von den Amerikanern und ihrem sicheren Gespür für die
richtigen Partner und von ihrer Vorstellung von Gut und Böse in der Welt – und
wie man das eben am einfachsten regelt.
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Panamá City, Finanzzenrum |
Der
erste Eindruck von Panamá City hat nichts mit dem zu tun, was man
sich so unter Lateinamerika vorstellt. Die Skyline der City sieht aus wie ein
weltweit agierendes Finanzzentrum – was es wohl auch ist. Was wir ja spätestens
aus den Panamá Papers wissen. Es ist eine moderne Stadt, die sich um eine weite
Bucht am Pazifik mit ihren imposanten Hochhäusern in den Himmel türmt. Die
Stadt ist sauber, aufgeräumt, irgendwie erste Welt, eine Filiale von Hongkong,
Atlanta oder London. Hier befinden sich acht der zehn höchsten Gebäude
Lateinamerikas, über 22 Hochhäuser ragen mehr als 200 Meter in den karibischen
Himmel. In dem modernen Viertel findet sich alles was die kapitalistische Welt
so zu bieten hat: verschwiegene Schwarzgeldkonten, luxuriöse Einkaufszentren,
die teuersten Labels, Restaurants und Clubs. Diesen sichtbaren Wohlstand
verdankt Panamá nicht nur der „Finanzwirtschaft”, sondern vor allem auch dem
Kanal! Bei der Kanalgesellschaft direkt sind ca. 30.000 Menschen angestellt;
eine Kanaldurchfahrt kostet mindestens eine halbe Million US$ pro Schiff.
Und überhaupt der Kanal. Das Ganze habe ich mir etwa
so wie den Main-Donau-Kanal vorgestellt: Betonwände, hässlich, gerade. Nur
größer eben. Weit gefehlt. Der größte Teil des Kanals besteht aus einem
riesigen See (Gatún-See), der 1924 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, mit
einer unglaublichen Dichte an Flora und Fauna. Alleine in diesem See gibt es 38
Säugetierarten, darunter Opossum, Faultier, Gürteltier, Ameisenbär und vor
allem Affen. Besonders die Kapuziner- und Totenkopfäffchen klettern auf die
Ausflugsboote und wollen von den Touristen mit Erdnüssen gefüttert werden. Ein
Handy kann schon auch mal zur Beute gehören.
Aber sie sind natürlich auch da, die mächtigen
Containerschiffe. Es ist schon ein besonderer Anblick, wenn diese Ozeanriesen
fast lautlos durch den See gleiten, mitten durch den tropischen Regenwald.
Der Bau des Kanals hat viele Opfer gefordert. Vor
allem Menschenopfer, mindestens 20.000 Menschen starben beim Bau, vor allem an
Gelbfieber und anderen tropischen Krankheiten. Ingenieure scheiterten an der
Aufgabe, Firmen gingen pleite, Bewohner wurden aus ihrer Heimat verdrängt. Aber
irgendwann wurde er dann doch fertig; 2014 wurde das 100jährige Bestehen
gefeiert.
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Der Kanal |
Neben dem modernen Panamá gibt es auch das alte
Panamá, Casco Viejo, die Altstadt, die sich auf das Feinste herausgeputzt hat! Die
Gründung dieser Stadt geht ungefähr auf das Jahr 1680 zurück und hatte schon
damals eine bedeutende wirtschaftliche Lage. Jedenfalls haben wir in
der Altstadt ganz vorzüglich gegessen und manches gute Glas getrunken.
Großartig renovierte Häuser und Paläste aus der Kolonialzeit, kleine Märkte und
noble Boutiquen: eine schöne Atmosphäre, wo man als Tourist sein Geld ausgeben
kann.
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Casco Viejo |
Der größte mögliche Kontrast zu dem modernen Panamá
ist ein Ausflug zu den San Blas Inseln, der Heimat der Kuna-Indianer.
San Blas Islands
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San Blas |
Bei unserer Reise
nach Panama wollten wir nicht nur Panamá City besuchen, sondern auch die
Gelegenheit ergreifen und ein paar Tage bei den Kuna verbringen. Die Kuna, auch
Guna genannt, sind die größte indigene Gruppe Panamas. Die Heimat der etwa
60.000 Kunas ist ein schmaler Landstreifen an der karibischen Küste Panamás und
die vorgelagerten karibischen Inseln, die San Blas Inseln. Die Kuna haben lange
Zeit hart um ihre Autonomie gekämpft und sind zurecht stolz darauf. Zu Beginn
des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von Repressalien von Seiten der Regierung
von Panamá, unter anderem auch einem Verbot für das Tragen der traditionellen
Tracht, zu großen Widerständen und in der Folge im Jahr 1925 zur
Kuna-Revolution. Nach blutigen Kämpfen sicherte die Regierung von Panamá den Kuna ein autonomes Gebiet mit
eigener Verwaltung und Rechtsprechung zu.
Auf den Inseln leben die Kuna vor allem vom Fischfang, Anbau von
Kokospalmen, und natürlich vom Tourismus. Eine weitere wichtige Einnahmequelle
ist der Verkauf von Molas. Dazu später mehr. Von mehreren Hunderten von Inseln
sind etwa 50 bewohnt. Auf einer dieser Inseln, Naranja Chica, haben wir
zusammen mit unseren Freunden Katrin und Johannes einige Tage verbracht. Für
unseren Transfer nach Kuna Yala (Heimat der Kuna) sollten wir um fünf bei
unserem Hotel in Panama City abgeholt werden. Keine Ahnung, warum das alles
immer nur zu so schrecklichen Zeiten stattfindet: Kanaltour startet um halb
sieben, Tour nach Kuna Yala um fünf Uhr morgens, aber egal ist halt so.
Zweieinhalb Stunden Fahrt, zuerst etwa eine Stunde bis wir aus der Stadt
draußen sind, dann 11/2 weitere durch wildes Bergland, enge, kurvige, steile
Straßen. Und dann mitten im Wald die Grenze zum Kuna Yala Land. Eine sehr
strenge Beamtin überprüft unsere Pässe und dann sind wir im Land der Kuna. Nach
einer weiteren halben Stunde erreichen wir den Hafen, bestehend aus zwei
kleinen Unterständen und einem Toilettenhäuschen. Wir bezahlen unsere
Hafengebühr, unsere Rucksäcke werden in ein kleines Boot mit Außenmotor geladen
und los geht’s auf unsere Insel.
Jetzt sind wir mitten in der Karibik, das Meer
Türkis wie im Katalog, wir fahren an zahlreichen kleinen Inseln vorbei, manche
so klein, dass nur eine einzige Palme darauf Platz hat. Unsere Insel, Narnaja
chica, ist etwas größer, geschätzte 100 auf 200 Meter. Darauf leben mehrere
Kuna-Familien und außerdem sind da etwa 30 kleine Hütten als Touristenunterkünfte.
Es gibt einen kleinen Laden mit Bar und Fernseher, in dem Bier, Wasser und Cola
verkauft wird, aber kein Restaurant oder Café – man kann dort nur
„all-inclusive“ buchen, und – natürlich – kein Internet. Strom für Licht und
Fernseher kommt von einem Dieselgenerator. Sonst gibt es außer einem
Kühlschrank keine elektrischen Geräte. Die Unterkünfte sind einfach: Holzhütten
mit gestampftem Erdboden, Dächer aus Palmblättern, darunter noch etwas Plastik
zum Schutz vor dem Regen, der in der Regenzeit, die gerade ist, sehr heftig
sein kann.
Einziges Möbelstück ist ein Bett mit Moskitonetz. Unsere Hütten mit
einer privaten Dusche, aus der ein Rinnsal kaltes Wasser kommt und einer
Toilette mit Wasserspülung sind da schon die besseren. Die Frage nach einer zweiten
Hängematte wird direkt mit einem Upgrade beantwortet. Wir wohnen jetzt in einer
größeren Hütte mit Veranda, von der aus man über eine Strickleiter direkt ins
Meer gelangt. Toll! So ist das also im karibischen Paradies. Der Blick vom
Strand oder von der Terrasse aufs Meer ist traumhaft. Einmal kam ein
riesengroßer Rochen an unserer Hütte vorbei, ein anderes Mal sahen wir ganz
viele fliegende Fische und Zebrafische haben uns stets in großer Zahl
Gesellschaft geleistet.
Jetzt wissen wir auch, wie der Janosch auf die
Tigerente kam. An ersten Abend dort haben wir zusammen mit den einheimischen
Männern und Kindern bei der „Ladenbar“ das Fußball-WM-Qualifikationsspiel
Panama gegen Honduras geschaut. Ergebnis 2:2. leider hat es für Panama trotz
aller Unterstützung vor dem Fernseher nicht zum Sieg gereicht. Am nächsten Tag
machen wir einen Ausflug zu einer der Nachbarinseln, auf dem Heimweg müssen wir
noch ein paar Fische fangen. Wir brauchen ja auch ein Mittagessen. Die Jungs,
die das Boot steuern helfen natürlich, aber Theo war dabei auch ganz
erfolgreich. Unterwegs kommen wir an einer flachen Stelle mit ganz vielen
Sehsternen vorbei. Auf der Nachbarinsel fragen wir nach einer frischen
Kokosnuss. Kein Problem: ein junger Mann wird gerufen, um uns die Kokosnuss
frisch vom Baum zu holen.
Wir würden es mit Mühe und Not mit einer Leiter die 4
bis 5 Meter hoch auf die Palme schaffen. So vertreiben wir uns die Zeit auf San
Blas mit süßen Nichtstun, verbringen den Abend beim Fußball oder plaudernd auf
unserer Terrasse und tagsüber dösen wir alle im Schatten in der Hängematte oder
sonst rumlümmelnd lesend im Schatten oder in der Sonne (das schafft aber nur
die Katrin), nur unterbrochen von kleinen Erfrischungen im karibischen Meer.
Soweit so gut. Ein paar nicht so schöne Dinge gibt es natürlich
auf unserer schönen Insel. Wie die Mapuche Indianer in Chile ist auch die
Ordnungsliebe der Kuna nicht sehr groß. Wie es vor und um ihre Hütten ausschaut
ist eher „Kleinrussland“. Unordnung und auch Müll scheint sie nicht groß zu
stören. Da es keine Waschmaschinen gibt, darf man keine strahlen weiße und
saubere Bettwäsche erwarten, die große Luftfeuchtigkeit und die nicht ganz
dichten Dächer machen das Ganze nicht besser. Und die Hängematten sind für
Menschen mit etwas empfindlichen Nasen eher nicht benutzbar. Vielleicht liegt
es auch daran, dass die Versorgung der Touristen allein den Männern übertragen
ist, die in diesen Dingen manchmal etwas anspruchsloser sind.
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Unsere Hütte |
Im Gegensatz zu den einheimischen Männern, die Shorts und
Baseball-Mützen haben, tragen die Frauen bei den Kuna nach wie vor
wunderschönen traditionelle Kleidung.
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Kuna, Inselchefin, Mola |
Diese besteht aus einem blauen Rock,
einer bunten Bluse, auf die vorne und hinten Molas aufgenäht sind. Die
Unterschenkel und Unterarme sind eng umwickelt mit Ketten aus kleinen bunten
Glasperlen. Schaut toll aus! Die Frauen haben in der Familie das Sagen,
Eigentum wird von Mütter auf Töchter vererbt, und nach der Heirat zieht der
Schwiegersohn ins Haus der Schwiegermutter. Mit dem Nähen und dem Verkauf von Molas
bestreiten die Frauen einen wesentlichen Teil des Familieneinkommens.Was sind jetzt eigentlich diese Molas? Molas haben ihren
Ursprung in der Körperbemalung. Diese Motive und traditionellen Muster wurden
auch für die Molas verwendet, von denen die ältesten zwischen 150 und 170 Jahre
alt sind. Die Grundfarben der Molas sind
typischer Weise weinrot, orange oder schwarz.
Darauf werden aus mehreren Lagen
Stoff mit buntem Faden geometrische Motive oder Tiermotive in Handarbeit in
winzigen Stichen in verschiedenen Stichtechniken aufgenäht. Die Fertigstellung
einer solchen Mola kann Hunderte von Stunden dauern. Eine Heidenarbeit! Aber
toll! Jede Mola ein Kunstwerk! So wichtige Kunstwerke, dass die schönsten
Exemplare im Museo de Oro in Bogota in einer Sonderausstellung zu sehen sind.
Das ist Karibik pur.
Ein Prost auf den Kanal - mit Vinoval!