20 Vögel
Wie gesagt, wir haben hier die Wohnung mit einem
völlig unglaublichen Ausblick. Auch kurz vor dem Sonnenaufgang.
Der Rio Cruzes
vor unserem Haus ist jetzt ca. einen Kilometer breit, zwischen uns und der Isla Teja. In der Mitte ist der Fluss
noch deutlich zu erkennen, links und rechts davon haben sich viele
Schilfgrasinseln gebildet, die das Habitat unzähliger Schwäne mit den schwarzen
Hälsen sind, die hier ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen. Dieses Feuchtbiotop
hat sich nach dem schrecklichen Erdbeben 1960 gebildet, als die Erde hier um
ca. 3 Meter abgesunken ist (an anderen Stellen bis zu 8 Meter). Diese
dramatische Absenkung der Landschaft hat dazu geführt, dass der Fluss vor
unserem Haus entsprechend den Gezeiten des Meeres steigt und sinkt, 15 km vom
Meer entfernt!
Mein Arbeitsplatz |
Während der Ebbe kommen überall die alten Weidezäune
zum Vorschein, die dann bei der Flut wieder ganz unter dem rückkehrenden Wasser
versinken. Das war früher alles fruchtbares Weideland.
Hier gibt es anscheinend ein interessantes Phänomen.
Jan, ein Wasserbauingenieur, hat mir erklärt, dass der eigentliche Fluss am
Boden auch bei Flut weiterhin Richtung Meer fließt und nur das
Oberflächenwasser sich flussauf bewegt und so den Fluss steigen lässt. Was es
alles gibt! An meinem Arbeitsplatz (auf unserem Balkon) konnte ich das alles
während der letzten Monate beobachten.
Unsere Schwalben |
Noch viel faszinierender als die Betrachtung der
Gezeiten ist die Beobachtung der Vielzahl von Vögeln. Unsere erste Liebe galt
den Schwalben, die im Abflussrohr unseres Balkons nisteten, die Eier
ausbrüteten und ihre Jungen großzogen – was war das für ein Geschrei. Wir waren
Zeuge beim allerersten Flugversuch der kleinen Schwälbchen (eines ist auf
unserem Balkon abgestürzt, konnte aber gerettet werden). Jetzt sind alle
mächtige Flieger, wohnen aber immer noch hier und beglücken uns mit ihren
Flugkünsten beim Feierabendbier.
Mindestens 15 Arten konnte ich ausmachen (Rossi hat
mir zu Weihnachten ein Fernglas geschenkt!), aber bei weitem nicht alle
identifizieren.
Bandurria |
Unten im Garten kommen die Bandurrias
und zerren mit ihren langen und gebogenen Schnäbeln die widerspenstigen Würmer
aus dem Boden. Die Möwen bevorzugen die Nähe zu Wasser und die Cara Caras
gleiten elegant durch die Lüfte. Wenn sie nicht gerade beim Tauchen sind, dann
beherrschen die Kormorane den perfekten Formationsflug und die Tiuques, eine kleine Falkenart, erkunden
als Einzelgänger das Gelände.
Die grünen Aras (kleine Papageien) sind nie
alleine und kündigen sich mit ihrem Geschrei an, schon lange bevor man sie
sieht. Sind irgendwie die Halbstarken unter den Vögeln, die
Easy-Rider-Motorrad-Gang.
Tiuque |
Traile |
Lieber am Boden bleiben die vorwitzigen Trailes, eine Ibis Art, die gerne auch
mit Scheinangriffen auf den Menschen ihr Nest verteidigen. Vor unserem Balkon
tauchen die Kormorane und wenn sie sich in die Lüfte begeben zeigen sie einen
perfekten Formationsflug. Manchmal hackt ein Specht an den beiden mächtigen Coigues (immergrüne Scheinbuchen) vor
unserem Haus, auch die Reiher fliegen auf dem Weg in das Santuario de la Naturaleza Anwandter über das Wasser des Rio Cruzes und die kleinen Fio Fios (Elaenia albiceps)
schauen schon mal nach dem rechten und ob es hier was zu fressen gibt.
Loro |
Kolibri Nest |
Aber immer mal wieder hatten wir das Gefühl Kolibris
schauen auf der Suche nach Nahrung bei uns vorbei. Sie sind ja so klein,
flatterhaft, schnell wieder weg. Irgendwie faszinierend. Aber was sollten sie
bei uns im vierten Stock auf dem Balkon schon zu fressen (naschen?) finden?
Vielleicht einen alten Sektkorken? (Übrigens: Rossi trinkt zurzeit sehr gerne
Sekt!) Also, wir haben uns erkundigt. Es gibt einen Supermarkt, der
Blütenimitate für Kolibris verkauft. Wir, waren dort. Es waren die hässlichsten
Blütenimitate die ich je gesehen habe (also, wenn ich Kolibri wäre ...),
Herstellungskosten 3 Cent, Verkaufspreis 40 €. Plus die Flüssigkeit. Nein
Danke.
Gut, dann haben wir das Kolibri-Thema wieder
vergessen, unsere Freund aus München waren da, dann kamen die Australier – wir
saßen auf dem Balkon und kamen irgendwie auf Kolibri. (Die mögen ja was von
Beuteltieren verstehen, bestimmt nix von Kolibri.)
Ich
sage: lass uns doch eine Kolibri-Tränke bauen.
Paul
sagt: das klappt nie.
Ich
sage: lass es uns doch mal probieren.
Paul
sagt: lass uns lieber einen trinken.
Eigentlich wollten wir noch wetten, das haben wir dann
– leider – vergessen.
Kolibri Tränke |
Nicht, dass ich gerne Wetten verliere – aber wenn es
um Kolibris geht ...
Also habe ich mir eine PET-Falsche Coca-Cola gekauft, Original, denn nur diese haben einen
roten Verschluss. (Den Inhalt habe ich natürlich weggeschüttet, zu viel Zucker,
Diätgründe.) Die Flasche muss man dann ganz vorsichtig am Gasherd erwärmen,
damit man sie im oberen Drittel um 40 Grad nach oben biegen kann. In die rote
Verschlusskappe bringe man ein Loch ein, das der Größe des Schnabels des
Kolibris entspricht. Eine rote Blumen-Imitat-Krause sollte den Lockeffekt noch
erhöhen. Und man fülle das Ganze mit Zuckerwasser mit einem Schuss Mango Sirup;
dem Tränke-Bauer reiche man ein Feierabendbier!
Stunden des Wartens: und dann wurden ich und die
Kolibris die besten Freunde! Am Anfang waren sie noch etwas unsicher, was wohl
die komische Blüte zu bedeuten hätte. Aber irgendwie scheinen sie die
Geschmacksmischung zu mögen und werden immer zutraulicher. Jetzt stören sie
sich auch nicht mehr, wenn man ruhig danebensteht und sie beim Schwirrflug über
„meiner Blüte“ beobachtet. Große Emotion, muss ich schon sagen.
Der
Flug der Kolibris (Wikipedia)
Kolibris führen ihren Schwirrflug
mit einer sehr hohen Frequenz von 40 bis 50 Flügelschlägen pro Sekunde aus. Mit
ihren beweglichen Flügeln können sie auf der Stelle fliegen, um zum Beispiel
Nektar zu trinken. Sie können auch seitwärts und sogar rückwärts fliegen. Beim
Kolibri ist im Gegensatz zu allen anderen Vogelfamilien die Hand größer als
Ober- und Unterarm. Dies sowie eine extreme Beweglichkeit im Schulter- wie im
Ellenbogengelenk erlauben dem Kolibri fast jede erdenkliche Flügelstellung. Die
hierfür benötigte Brust- und Oberarmmuskulatur macht beim Kolibri gut ein
Viertel seines Gesamtgewichts aus.Bezogen auf ihre Körpergröße sind Kolibris die wohl schnellsten Wirbeltiere der Welt. So erreichen die etwa zehn Zentimeter großen Annakolibris bei ihren Balzflügen Geschwindigkeiten von 385 Körperlängen pro Sekunde (27,3 m/s bzw. 98 km/h), bei Beschleunigungswerten von etwa dem Zehnfachen der Erdbeschleunigung. Zum Vergleich: Wanderfalken kommen im Sturzflug auf Geschwindigkeiten von bis zu 200 Körperlängen pro Sekunde, Kampfjets, wie z. B. die MiG-25 (ein Mach 3 schneller Abfangjäger), erreichen dagegen maximal nur das rund 40-fache ihrer Gesamtlänge.
Valdivia ist die Stadt des Wassers, sie ist von vier
Flüssen umgeben und prägt den Charakter dieser Stadt. Also muss man raus auf
das Wasser. Wir haben uns beim Koch unten am Hafen ein kleines Boot mit
Außenbordmotor geliehen, eine Brotzeit und ein paar Bier eingepackt und sind
hochgefahren in das Naturschutzgebiet.
Da fahren auch die kleinen Ausflugsboote
mit den Touristen hin, allerdings nur bis Punucapa,
am Anfang des Parks. Wenn man dann weiter hochfährt, dann ist man ganz alleine
mit der Natur und kann sich in aller Ruhe den Vögeln widmen, vor allem den Schwänen
mit den schwarzen Hälsen. Eine kleine Schwanenfamilie machte mit ihren Jungen
einen Ausflug und trug dabei die schon nicht mehr ganz kleinen Küken auf dem
Rücken.
Unser kleines Boot |
Leckere Empanadas |
Auf dem Rückweg sind wir dann noch bei der Feria Costumbrista in Punucapa eingekehrt, das ist eine Art
Kirchweih, allerdings dauert die einen ganzen Monat lang. Es gab ganz köstliche
Empanadas, kleine Teigtaschen mit
lecker Fleisch- und Meeresfrüchtefüllung.
Pfote |
Es gibt aber auch eine traurige Tiergeschichte: Pfote
ist weg!
In Valdivia gibt es relativ viele Straßenhunde und das
sind die friedlichsten Hunde, die ich je getroffen haben. Sie sind einfach da,
gehören zu Stadtbild und tun niemanden was. Sie sind auch gut ernährt und sind
wohl gelitten. Wenn sie über die Straße gehen, dann nehmen sie meist den
Zebrastreifen.
Auch in unserem Kondominium wohnten ein paar Hunde,
einer von ihnen war Pfote. Ein schon etwas älterer Herr, der bei uns in der
Straße zuhause war. Er hat auf uns gewartet, sich immer über Leckerlis gefreut
und war dankbar für jede Streicheleinheit. Zur Begrüßung hat er einem immer die
Pfote gegeben.
Und jetzt ist er weg, die Pfote. Irgendjemand hat sie
vertreiben lassen, vielleicht auch umbringen, Menschen, die ihr „nobles“
Kondominium mit niemanden teilen wollen, man ist ja schließlich was Besseres,
da stören die Straßenköter nur.
Eine ganz kleine Hoffnung habe ich noch, vielleicht
kommt Pfote ja zurück – oder es geht ihm zumindest gut.
Kolibris würden aus Vinoval Gläsern trinken!
www.vinoval.de